«Es muss sich einiges ändern»

Der Inwiler Regierungsrat Fabian Peter stösst derzeit grosse Projekte an. Eines davon ist der Klimabericht, welcher auch von der Seetaler Landwirtschaft viel abverlangt. Peter will keine Verbote, fordert aber Innovationsbereitschaft von den Bauern.

Fabian Peter ist seit Juli 2019 Vorsteher des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements. Foto jh
Jonas  Hess

Fabian Peter, am 1. Juli werden Sie auf die ersten zwei Jahre als Regierungsrat zurückblicken können. Wie geht es Ihnen in Ihrem Amt?
Fabian Peter
: Insgesamt geht es mir gut. Ich habe mich im Departement und auch in der Regierung gut eingearbeitet. Die ersten dreiviertel Jahre waren sehr kräftezehrend. Ich hatte einen Termin nach dem anderen und viele öffentliche Auftritte. Alle wollten den neuen Regierungsrat kennenlernen. Danach kam plötzlich der Cut und wir alle waren mitten in einer Krise und wussten nicht, was kommt. Das war sicher auch für die Regierung als Team eine Herausforderung, hat uns aber auch näher zusammengebracht. Für mich hat es bedeutet, dass ich schnell mittendrin war und einfach funktionieren musste.

Wie wirkte sich die Krise auf Ihre Arbeit als Vorsteher des Bau- Umwelt und Wirtschaftsdepartements aus?
Es kamen sehr viele neue Aufgaben hinzu und gleichzeitig fiel anderes weg. Wie zum Beispiel ein grosser Teil der Abendtermine. Plötzlich stand der Wirtschaftsdirektor im Vordergrund. Ich pflege seit über einem Jahr den Austausch mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsorganisationen in einem zwei- bis vierwöchigen Rhythmus.

Wegen Corona standen insbesondere das Gesundheits- und Finanzdepartement im medialen Fokus. Geriet Ihr Departement dabei etwas in den Hintergrund?
Nein, nicht unbedingt. Und wenn es so empfunden wurde, stört es mich nicht. Ich war zeitweise mit meinen Themen so stark im Mittelpunkt, gerade auch im vergangenen Sommer, als Corona etwas in den Hintergrund rückte. Wenn sich der Fokus für einmal an einen anderen Ort verschiebt, ist mir das recht. Viele meiner Themen benötigen Zeit, bis Ergebnisse präsentiert werden können. Wenn man die ganze Zeit im Schaufenster steht, kommt man weniger vorwärts. Darum sind ruhigere Phasen gut, um arbeiten zu können, dann kann man später auch wieder kommunizieren, wenn Resultate vorliegen.

Welche Themen sind derzeit in der Pipeline?
Einerseits der Richtplan, an welchem intern gearbeitet wird. In diesem Zusammenhang ist besonders das Projekt «Zukunft Mobilität» zu erwähnen. Wenn es einmal öffentlich ist, werden wir sicher verschiedene Meinungen darüber hören. Zudem läuft das Reussprojekt weiter und Themen bezüglich Stoff-flüssen in der Landwirtschaft sowie der Klimabericht, welcher derzeit gerade in der Vernehmlassung ist. Das sind alles sehr grosse und wichtige Projekte. Ich habe keine Angst – diese Themen werden automatisch wieder in den Vordergrund rücken.

Die Online-Vernehmlassung (E-Mitwirkung) zum Klimabericht läuft bis 7. Mai und die Bevölkerung wird bewusst miteinbezogen. Warum?
Bei diesem Thema ist es elementar, dass jeder sein Handeln hinterfragt, nur so können wir nachhaltig etwas verändern. Nur wenn die Bevölkerung mitmacht und bewusst weniger fliegt, den öV dem Auto vorzieht und sich nachhaltig  ernährt beziehungsweise nachhaltig konsumiert, können wir die Klimaziele erreichen. Die lancierte E-Mitwirkung soll es den Leuten möglichst einfach machen, ihre Meinung zum Thema äussern zu können.

Wie stark wurde die E-Mitwirkung bereits genutzt?
Das können wir derzeit noch nicht wirklich sagen. Ich hoffe natürlich, dass die Möglichkeit zur Mitwirkung stark genutzt wird. In der momentanen Schlussphase der Vernehmlassung treffen jeden Tag neue Stellungnahmen von Verbänden und Organisationen, aber auch von Privatpersonen ein. Wir haben das Thema sehr breit kommuniziert und beispielsweise am Abend nach der Session die Kantonsräte und auch einzelne Kommissionen informiert. Das ist sonst eigentlich nicht üblich. Wir wollten damit zeigen, dass das Thema Klima nicht nur das BUWD betrifft, sondern alle und alles. Zudem haben wir auch den direkten Austausch mit dem gesamten Vorstand des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands und weiteren Verbänden gesucht und sind auf ihre Fragen und Anliegen eingegangen. Das war mir sehr wichtig und kam auch gut an.

Gibt es bereits Tendenzen, wo Sie Reibungspunkte ausmachen?
Das kann ich noch nicht sagen. Die Vernehmlassung läuft ja noch. Was zum Beispiel der Bauernverband schliesslich dazu sagen wird, ist noch offen.

Für unterschiedliche Meinungen dürfte der Vorschlag sorgen, die Tierhaltung durch extensivere Produktionsformen zu senken. Wie soll dieses Ziel erreicht werden?
Der Planungsbericht befindet sich auf relativ hoher Flugebene. Wenn das Parlament die aufgezeigten Stossrichtungen unterstützt, werden wir diese in einer Massnahmen- und Umsetzungsplanung weiter konkretisieren. Es ist aber klar: Die Tierdichte im Kanton Luzern ist sehr hoch und wenn wir die Klimaziele in der Schweiz oder auf der Welt erreichen wollen, werden wir nicht mehr gleich viel Fleisch essen können wie heute. Wir werden aber auch in Zukunft mehr tierische Produkte produzieren als andere Kantone. Das ist mit dem Bundesamt für Landwirtschaft so abgestimmt. Im Seetal kommt noch ein weiteres Problem mit dem Phosphor in den Seen hinzu. Deshalb muss sich insbesondere rund um die Seen der Phosphoreintrag verringern.

Was bedeutet dies nun für einen Seetaler Bauern, wird ihm künftig auferlegt, wie viele Tiere er noch halten darf?
Nein, wir wollen Anreize schaffen, damit er oder sie weniger Tiere hält.

Und wie soll das konkret -umgesetzt werden?
Das wissen wir noch nicht. Wir haben im Planungsbericht aber aufgezeigt, dass wir Massnahmen mit diesen Stossrichtungen prüfen müssen. Wir haben nun 30 Jahre Zeit, damit diese Transformation stattfinden kann. Ich sage bewusst Transformation, weil sich einiges ändern muss. Diese Änderung muss für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe aber sozial und auch wirtschaftlich verträglich sein. Und wir müssen auch Alternativen mit Förderungs- oder Lenkungsmassnahmen anbieten. Mir ist wichtig zu betonen, dass man nicht in den nächsten fünf Jahren umstellen muss. Jene, die in den nächsten zehn Jahren investieren, müssen sich aber überlegen, auf welche Karte sie in den kommenden 20 Jahren setzen wollen. Aber jene, die gerade investiert haben, müssen diese Investitionen zuerst amortisieren können, sonst ist es natürlich nicht sinnvoll.

Auf welche Alternativen sollen die Bauern denn setzen?
Wir möchten den Bereich Biolandbau stärken und vermehrt Spezialkulturen fördern. Gerade im Seetal zeigt sich mit dem Weinbau, dass solche Kulturen Erfolg und durch die Klimaerwärmung noch mehr Potential haben. Das wollen wir auch mit der Preisverleihung von Zentralschweizer Wein fördern, prüfen aber auch ein Förderprogramm für Spezialkulturen und die verstärkte Begleitung der Landwirte beim Umbau ihres Betriebs. Zudem laufen auch Beeren und Obst gut. Diese und weitere Potentiale sollen schlussendlich die Ausfälle in der Tierproduktion kompensieren.

Diese Förderung findet teilweise schon heute statt. Trotzdem setzen nach wie vor viele Bauern auf Tierproduktion. An was liegt das?
Ich glaube, dass man manchmal einfach das macht, was man gut kann. Das ist ja auch in der Wirtschaft so; dort wo die Kernkompetenz liegt, ist man tätig. Aber wenn sich der Markt verändert und immer weniger Fleisch benötigt wird, haben die Bauern irgendwann ein Problem, weil ein Überangebot besteht. Das soll kein Schock werden, darum wollen wir die Landwirtschaft mitnehmen und die Umstellung Schritt für Schritt vorantreiben, sonst haben wir irgendwann sowieso ein Problem in dieser Branche.

Sie setzen voraus, dass die Bevölkerung immer weniger Fleisch isst und schreiben im Klimabericht von einer «erforderlichen» Reduktion von tierischen Proteinen. Wollen Sie den Leuten vorschreiben, was sie zu essen haben?
Nein, das ist sicher nicht in meinem Sinn und ich glaube auch nicht, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer vorschreiben lassen, was auf ihren Teller kommt. Die Tendenz zu weniger Fleischkonsum ist aber bereits spürbar und zeigt sich insbesondere bei den jüngeren Generationen. Ihnen ist bewusst, dass die Fleischproduktion Treibhausgase ausstösst und Stoffflüsse auslöst, welche nicht überall verträglich sind. Ich bin überzeugt, dass die kommenden Generationen anders denken als meine oder die letzte Generation. Dass der Kanton Luzern aber vorgibt, nur noch einmal pro Woche Fleisch zu essen, wäre sicher nicht der richtige Weg.

Den Konsum lenken wollen Sie aber schon.
Was besprochen wird, ist die Menüauswahl an Kantinen wie beispielsweise der Kantonsschule anzupassen. Aber auch dort soll der Konsum nicht vorgeschrieben, sondern höchstens etwas gesteuert werden.

Zusammengefasst heisst dies, dass bei der Fleischproduktion wie auch der Ernährung keine neuen Vorschriften geplant sind, sondern nur Fördermassnahmen?
Das ist richtig. Neue Vorschriften sind diesbezüglich nicht geplant.

Anders sieht die Situation bei den Mittellandseen aus.
Genau. Dort geht es nicht um die Ernährung, sondern um den Phosphorüberschuss, welchen der Baldegger- Hallwiler- und Sempachersee nicht vertragen. Kurz gesagt, sind es zu viel Nährstoffe  auf einer zu kleinen Fläche im Einzugsgebiet der wenig durchflossenen Seen.

Das aktuelle Phosphorprojekt 3 wurde von knapp 150 Bauern -gerichtlich angefochten. Wie ist da der Stand?
Das Projekt ist in Kraft und wird es auch bleiben, ausser das Kantonsgericht würde die Beschwerde gutheissen und die Verordnung wieder aufheben.

Was passiert dann? Haben Sie -einen Plan B?
Wir gehen nicht davon aus, dass dies passieren wird, sonst hätten wir die Verordnung auch nicht so beschlossen. Schliesslich wurde das Projekt auch mit dem Bundesamt für Landwirtschaft abgesprochen. Ich verstehe, dass manche Landwirte mit den Phosphorverordnungen nicht zufrieden sind und sich nicht einschränken wollen. Das öffentliche Interesse an der Gesundung der Seen ist hier aber höher zu gewichten.

Vonseiten der Bauern hört man immer wieder, dass die Landwirtschaft im Gegensatz zu anderen Branchen von den Behörden stärker kontrolliert und gemassregelt wird. Ist diese Kritik berechtigt?
In Bezug auf den Klimabericht sicher nicht, im Gegenteil. Wer sich den Bericht anschaut, sieht, dass sich ganz viele Branchen bewegen müssen. Sei das bei der Mobilität, beim Gebäudepark, bei der Industrie, wo man anders produzieren muss. Es ist also nicht so, dass man hier nur auf der Landwirtschaft herumhackt, sondern alle müssen ihren Beitrag leisten. Wenn man dann noch den Absenkpfad im Planungsbericht anschaut, ist ersichtlich, dass die Landwirtschaft eigentlich noch am besten wegkommt, weil diese Branche beim CO2 nur auf die Hälfte runter muss – andere Branchen aber auf Null.

Warum?
Weil wir anerkennen, dass wir auch in Zukunft Fleisch essen wollen und mehr produzieren möchten als andere Kantone. Insgesamt muss sich die Produktion aber trotzdem verringern. Vielleicht gibt es künftig auch technische Lösungen, welche zu diesem Ziel beitragen. Ich bin generell davon überzeugt, dass Fortschritt und Innovation in den nächsten 30 Jahren uns viele Lösungen für unsere Umweltprobleme ermöglichen, aber wir müssen Mut haben, vorwärtszudenken und für Neues immer offen sein.

von Jonas Hess

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