«Jugendliche müssen hartnäckig sein»

Schnupperlehren spielen bei der Berufswahl eine wichtige Rolle. Jugendliche können erste Erfahrungen im Arbeitsalltag sammeln und ihren potenziellen Lehrbetrieb kennenlernen. Corona erschwert den Prozess.

Milena Stadelmann

Die Lehrstellensuche ist zurzeit mit Hürden verbunden. «Lehrstellen werden wegen Covid-19 zurückgezogen, oder die Bewerbenden erhalten als Antwort, man wisse heute noch nicht, ob man die ausgeschriebene Lehrstelle im Sommer anbieten kann», sagt Andrea Martin, Rektorin der Schulen Hitzkirch.

Mit dem Frühling starten die Hitzkircher Schülerinnen und Schüler der zweiten Oberstufe in die Schnuppersaison. Damit steht für sie ein wichtiger Abschnitt im Bewerbungsverfahren bevor. Doch auch hier tauchen laut Martin im Moment Komplikationen auf: Vor allem im Bereich Gesundheit, Soziales und im Gastgewerbe gestalte sich die Suche nach einer Schnupperlehrstelle schwierig, sagt sie.

Das musste die Sekschülerin Lorena Balmer aus Eschenbach bereits am eigenen Leib erfahren: «Ich interessiere mich für medizinische Berufe und habe schon viele Hausarztpraxen und auch ein Spital für eine Schnupperlehre angefragt», sagt sie. Lorena erhielt einige Absagen: «Die meisten haben gesagt, ich soll mich im Mai oder noch später wieder melden.» Damit steht die Schülerin nicht alleine da. Auch in anderen Bereichen ist es zurzeit schwierig einen Einblick in die Berufswelt zu erhaschen. «Ich wollte bei einer Bäckerei schnuppern gehen, weil ich Interesse am Detailhandel habe», sagt Nathalie Schürmann von der Sekundarschule Eschenbach. Auch sie bekam eine Absage. Der Grund: «Das Unternehmen muss viel Ausliefern und wenn sie mich da mitnehmen würden, könnten wir den Sicherheitsabstand nicht
einhalten.»

Die Schülerinnen und Schüler müssen zurzeit viele Absagen einstecken. Eine Umfrage bei der zweiten Sekundarstufe in Eschenbach hat ergeben: Von 39 Jugendlichen haben 62 Prozent bereits eine oder mehrere Absagen für eine Schnupperlehre erhalten. 

Angebot ist vorhanden
Die Lehrstellenplattform «Yousty» bestätigt diese Entwicklung. «Viele Firmen können zurzeit keine Schnupperlehren anbieten, weil der Betrieb geschlossen ist oder alle Mitarbeitenden im Homeoffice arbeiten», sagt Stefanie Näf. «Yousty» untersucht monatlich mit dem LehrstellenPuls-Team der ETH Zürich die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die berufliche Grundbildung der Schweiz. Im Januar 2021 haben fast 2500 Lehrbetriebe an der Befragung teilgenommen. Davon haben 53 Prozent angegeben, unter Anwendung der Schutzmassnahmen des BAG, Schnupperlehren vor Ort anzubieten. 16 Prozent der Lehrbetriebe greifen auf virtuelle Schnupperveranstaltungen zurück. 

Bei einem Besuch der Website yousty.ch wird man durchaus fündig: Aktuell sind auf der Plattform über 18 500 Schnupperlehrstellen ausgeschrieben. Insbesondere im KV, in handwerklichen Berufen oder auch im Detailhandel sind noch zahlreiche freie Stellen verfügbar. Unter anderem auch 339 Schnupperplätze für die Ausbildung zum Koch. Im Kanton Luzern können sich Schülerinnen und Schüler über «Yousty» zurzeit auf mehr als 1000 Schnupperlehrstellen bewerben. 

Investition in Nachwuchsförderung
Im Seetal gibt es zahlreiche Unternehmen, die Jugendlichen trotz Corona den Einblick in den Berufsalltag ermöglichen. In den Migros-Filialen sei es jederzeit möglich zwei bis drei Schnuppertage zu absolvieren, bestätigt Antonia Reinhard, Mediensprecherin der Migros Luzern, auf Anfrage. 

Ein kleineres Unternehmen ist die Bäckerei-Café Meyer in Hitzkirch: «Auch diesen Frühling können sich Schülerinnen und Schüler bei uns für eine viertägige Schnupperlehre bewerben», sagt Geschäftsführer Urban Meyer. Der Nachwuchsmangel habe in der Branche in den letzten Jahren zugenommen. Deshalb sei es umso wichtiger, die Jugendlichen für den «schönen und kreativen Beruf» zu begeistern.

Für die WIKA Schweiz AG spielt die Nachwuchsförderung ebenfalls eine grosse Rolle: «Wir möchten den Jungen unbedingt auch in dieser schwierigen Zeit eine Perspektive geben», sagt Irene Wirz von der Personalabteilung. «Die Lernenden sind unsere Zukunft. Es ist sehr wichtig für uns, weiterhin Schnupperlehren anzubieten und darauf abgestützt Lehrverträge abzuschliessen», sagt sie. Das Unternehmen bietet Schnupperlehrstellen in acht verschiedenen Berufen an – unter anderem als Kauffrau oder Polymechaniker. Trotz des Angebots gehen bei dem Unternehmen zurzeit nicht viele Anfragen für Schnupperlehrstellen ein. 

Dasselbe stellt Reto Leisibach fest. Ab März bietet die Auto Leisibach AG in Hitzkirch wieder Schnupperlehrstellen an. «Die jungen Leute müssen eine Chance haben, den gewünschten Beruf kennenzulernen», sagt der Werkstattleiter. Doch: «Momentan kommen die jungen Leute weniger oder gar nicht auf uns zu.»

«Yousty» ist diese Entwicklung nicht fremd. Schweizweit laufen über 75 Prozent der Schnupperbewerbungen über die Lehrstellenplattform. Die Messungen zeigen: Die Anzahl der Online-Bewerbungen für Schnupperlehrstellen sind von 65 000 auf 60 000 gesunken, dies vor allem während dem ersten Lockdown. «Die Lernenden bewerben sich weniger», sagt Näf. Das könnte auf eine Verunsicherung der Schülerinnen und Schüler bezüglich der Pandemiemassnahmen hinweisen. 

Mehr Einsatz wird gefordert
Trotz Hürden und Unsicherheiten werden Schnupperlehrstellen gefunden und durchgeführt. Das zeigt die Umfrage an der Sekundarschule Eschenbach. Von den 39 Schülerinnen und Schülern haben 87 Prozent eine oder mehr Schnupperlehrstellen absolviert. «Ich durfte im Detailhandel arbeiten. Dabei habe ich viele Erfahrungen gemacht und Neues dazu gelernt», sagt Halime Mulaj von der zweiten Sek. Nur fünf der befragten Jugendlichen haben noch in keinen Beruf reingeschnuppert. 

Die Aussichten für die kommenden Wochen sehen vielversprechend aus: Die Jugendlichen haben insgesamt über 60 Zusagen für eine Schnupperlehrstelle bekommen. «Die Unternehmen zeigen sich sehr kooperativ», sagt Carmen Boss von der Sekundarschule Eschenbach. Trotzdem lässt sich nicht abstreiten: «Der Bewerbungsprozess ist zurzeit sehr aufwändig und anstrengend», sagt Andrea Martin, Rektorin der Schulen Hitzkirch. «Die Jugendlichen müssen hartnäckig sein und dranbleiben.» Beispielsweise mit mehr Telefonaten bei potenziellen Anbietern von Schnupperlehrstellen. Dasselbe bestätigt der Rektor der Schule Hochdorf, Daniel Lang: «Es wird zurzeit mehr Einsatz gefordert.» Nicht nur von den Jugendlichen, sondern auch von den Schulen. Diese unterstützen die Schülerinnen und Schüler mit Lehrstellenparcours oder Berufswahlwochen bei der Suche nach der passenden Lehrstelle. Sie helfen bei den Bewerbungen oder arbeiten beispielsweise im Fall von Hitzkirch mit dem lokalen Gewerbeverein
zusammen.

Jugendliche bleiben positiv
Trotz der ungewöhnlichen Situation bleiben die Schülerinnen und Schüler optimistisch. An der Schule Eschenbach schätzen über 80 Prozent der Jugendlichen die Aussichten auf eine Schnupperlehrstelle gut bis sehr gut ein – nur wenige als schlecht. «Viele Schülerinnen und Schüler weichen aktuell einfach auf andere Berufe aus, wenn sie ihre Schnupperlehre nicht im gewünschten Bereich machen können», sagt Carmen Boss von der Sekundarschule Eschenbach. Es sei Flexibilität gefragt. «Wir hoffen aber, dass die  Lockerungen der Coronmassnahmen auch wieder mehr Schnupperoptionen in allen Berufsfeldern ermöglichen.»

Hinweis: Vom 25. bis zum 27. März findet die Online-ZEBI statt. Dies weil die Zentralschweizerische Berufsmesse im vergangenen Herbst abgesagt werden musste. Mehr Informationen unter: www.zebi.ch

von Milena Stadelmann

Lehrstellenverträge stimmen optimistisch

Berufswahl Die ersten Ergebnisse zu den für August 2021 bereits besetzten neuen Lehrstellen sind ermutigend, heisst es in einer Mitteilung der Lehrstellenplattform «Yousty». Dabei bezieht sie sich auf die Januar-Befragung des LehrstellenPulses. Die befragten Lehrbetriebe gaben darin an, dass 69 Prozent der für den Sommer 2021 angebotenen Lehrstellen bereits besetzt werden konnten. Diese Zahl sei allerdings noch mit Vorsicht zu geniessen, heisst es in der Mitteilung. Der Rekrutierungsprozess für den Lehrbeginn 2021 habe noch nicht in allen Sprachregionen begonnen. Deshalb kommen mit
Sicherheit noch mehr verfügbare Lehrstellen dazu. 

Unterschiede zwischen Branchen
Den höchsten Anteil bereits besetzter Lehrstellen gibt es in den Berufsfeldern «Wirschaft, Verwaltung, Tourismus» und «Informatik» mit jeweils 84 Prozent. Das Schlusslicht hingegen führen die Berufsfelder «Bau» mit 32 Prozent, «Gebäudetechnik» mit 47 Prozent und «Gastgewerbe, Hotellerie» mit 49 Prozent an. Für das Hotel- und Gastgewerbe ist das keine ungewöhnliche Ausgangslage. «In diesem Berufsfeld sind momentan etwa gleich viele Lehrstellen besetzt wie im letzten Jahr zu dieser Zeit», sagt Christof Spöring, Leiter Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kanton Luzerns. Ende Februar 2020 wurden im Hotel- und Gastgewerbe bereits 73 Lehrverträge in neun verschiedenen Berufen abgeschlossen. In diesem Jahr sind es acht weniger. Für eine Ausbildung zur Restaurationsfachfrau beziehungsweise zum Restaurationsfachmann haben sich beispielsweise drei Jugendliche mehr entschieden – für die Kochlehre hingegen fünf weniger. Wie viele Lehrstellen bis im Sommer noch besetzt werden können, wird sich in einigen Monaten zeigen. 

«Kein langfristiger Rückgang»
Trotz der schwierigen Lage der Hotel- und Gastrobetriebe bleibt Spöring optimistisch: «Wir rechnen nicht damit, dass aufgrund von Corona die Nachfrage nach einer Ausbildung in der Branche langfristig zurückgeht.» Die Branche habe in der Krise Kreativität und Solidarität bewiesen: Das Restaurant Wilden Mann in Luzern wurde zur Ausbildungsstätte für die diesjährigen Berufsabgänger umfunktioniert, Gastrobetriebe in Spitälern oder Mensen haben Lernende von geschlossenen Betrieben aufgenommen. Zudem glaubt Spöring: «Das Hotel- und Gastgewerbe ist nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftszweig, in dem Jugendliche nach der Krise gerne arbeiten wollen.» mst

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