Ein Seetaler träumt von einer EM-Medaille

Der 25-jährige Kara-teka Manuel Kneuss will hoch hinaus: Sein Ziel ist es, an den Shotokan-Karate-Europameisterschaften im niederländischen s'Hertogenbosch von Ende Juli unter die besten drei zu kommen. Den letzten Schliff holt sich der junge Sportler diese Woche in einem Trainingslager in Locarno.

Eine gute Waffe: ein seitlicher Kick, um den Gegner zu stoppen. Foto Robin Kirchhofer
 

Manuel Kneuss hat einen kräftigen Händedruck und ein sanftes Lächeln. Er ist knapp 1,70 Meter gross, aber von kräftiger Statur. Auffallend seine blondierten Haare und der gepflegte Dreitagebart. Sobald der junge Mann mit dem fokussierten Blick von seiner grossen Leidenschaft, dem Karate, zu erzählen beginnt, sprudeln die Worte nur so aus ihm heraus. Zurzeit weilt der Kampfsportler im Trainingslager in Locarno, wo er sich auf die EM vorbereitet. Der Karateka, der dem Nationalkader A des Shotokan Karate International Swiss Federation (SKISF) angehört, setzt sich hohe Ziele. «Ich will unter die Top drei.» Sonst müsste er gar nicht in die Niederlande reisen, gibt sich der Seetaler selbstbewusst.

Aus Fehlern gelernt
Manuel Kneuss weiss aber auch, dass es viele Anwärter für Spitzenplatzierungen gibt. Im schlechtesten Fall bestreitet er nur einen Kampf von drei Minuten, verliert – und scheidet aus. Doch daran mag er nicht denken. «Ich bin zuversichtlich, dass das nicht passiert.» Er habe von den Fehlern aus seinem ersten internationalen Wettkampf in Tschechien gelernt. Damals, vor drei Jahren, so Kneuss, sei er an den Weltmeisterschaften noch ein Greenhorn gewesen, das nur Konterangriffe lancierte. Und prompt in der Qualifikation hängen blieb. Bei einer Niederlage habe er sich oft selbstkritisch hinterfragt, wie er noch besser werden könne. «Doch Karate ist vielmehr als nur eine Kampfsportart. Es ist eine Lebensphilosophie.»

Und das spürt Kneuss auch im Karateverein Aesch im Seetal, wo er trainiert, und seit zwei Jahren selbst Dojoleiter (Lehrer) ist. «Der Verein ist wie eine grosse Familie und gibt mir nach einem K.o.-Schlag den nötigen Rückhalt.» Ein Blick zurück zeigt auf, warum Manuel Kneuss Karateka geworden ist. Er ist in Fahrwangen aufgewachsen, besuchte dort auch die Schule. Dann absolvierte er eine Schreinerlehre, stieg später in den Familienbetrieb ein. Als 6-jähriger Knirps begann er mit dem Tennisspielen in Wohlen. Auch Fussball interessierte ihn. Doch nach fünf Jahren Tennis hat er sich für eine Sportart entscheiden müssen. Da kam der Rat seiner Eltern, es doch mal mit Karate zu versuchen, gerade rechtzeitig.

Karate als Lebensschule
Als Kind sei er im Umgang mit Menschen scheu, fast ängstlich gewesen, sagt Kneuss. «Während der Schulzeit war ich eher klein und ein Träumer.» Hinzu kam eine Lese- und Schreibschwäche. Die Schulzeit sei für ihn schwierig gewesen, erinnert er sich. «Es war für mich deshalb wichtig, dass ich einen Sport betreiben kann, bei dem sich der Erfolg rasch einstellt und meine Persönlichkeit festigt.»

Mit elf Jahren hat er dann ernsthaft mit Karate begonnen. «Meine Eltern wollten, dass ich Sport mache und dabei lerne mich selbst zu verteidigen.» Es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Am Anfang musste er fast dazu gezwungen werden, regelmässig zu trainieren. «Erst in der Oberstufe packte mich die Leidenschaft des Karate, nicht zuletzt wegen der Lebensphilosophie, die dahintersteckt. «Ich kann von jedem Karateka etwas lernen – egal, ob dieser 5- oder 80-jährig ist.» Es komme nicht darauf an, ob man den Spagat könne, sondern «dass man nie aufgibt, auch nach Niederlagen nicht und immer wieder aufsteht».

Das Ziel ist es, so Manuel Kneuss, den Kampfsport möglichst lange zu betreiben, um fit zu bleiben. Sein grösstes Vorbild sei deshalb nicht Filmheld Bruce Lee, sondern der Japaner Rikuta Koga Shihan. Der trage den neunten schwarzen Gürtel, und das mit 81 Jahren. Rikuta praktiziere noch heute täglich seine Übungen, um geistig und körperlich fit zu sein.

Auch sein ehemaliger Dojoleiter Roger Fankhauser, sei ein Vorbild für ihn. Er habe ihn ins Karate eingeführt, von der Grundschule bis zum schwarzen Gurt und schliesslich zum Dojoleiter ausgebildet. Fankhauser, der seit über 25 Jahren im Karate aktiv ist und den fernöstlichen Kampfsport vielen Schülerinnen und Schülern beigebracht hat, ist voll des Lobes für Manuel Kneuss: «Ich habe noch nie einen solch fokussierten, jungen Mann erlebt. Ich traue ihm an der EM durchaus eine Platzierung unter den ersten drei zu.» Seine einzige Befürchtung: Sein ehemaliger Schüler könnte sich bei einem solch wichtigen Wettkampf zu sehr unter Druck setzen. Fankhauser, der heute eine Kampfsportschule in Ballwil betreibt, weiss aber auch, dass Kneuss inzwischen mit einem Mentaltrainer arbeitet, um auch in diesem Bereich stärker zu werden.

Manuel Kneuss fühlt sich natürlich geehrt, dass ihn sein ehemaliger Trainer so positiv sieht und ihm so gute Chancen einräumt. «Es bricht für mich allerdings auch keine Welt zusammen, wenn ich ohne Medaille heimkehre.» Er wäre zwar sicher etwas enttäuscht, doch er sei jung und habe noch viel Zeit, eine Medaille oder einen Titel zu holen – nicht umsonst heisst sein Lebensmotto «Der Weg ist das Ziel». Kathrin Aerni

 

Kraftvolle Technik

Karate-EM Die Europameisterschaften im Shotokan-Karate finden vom 27. bis 31. Juli in s'Hertogenbosch (NL) satt. Neben dem Einzelwettkampf (30. Juli) bestreitet Manuel Kneuss auch den Teamwettbewerb (31. Juli). Der Shotokan-Stil ist die weltweit am häufigsten praktizierte Art von traditionellem Karate. Hauptmerkmale sind die tiefen Stellungen, gepaart mit den kraftvollen Techniken. kae

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.