«Frauen werden heute noch dämonisiert»

Fiorella Koch behandelt in ihrer Maturaarbeit das Thema Feminismus auf besondere Weise. Dafür wurde sie mit dem ersten Platz beim Wettbewerb «Fokus Maturaarbeit» belohnt.

Fiorella Koch konnte mit ihrer Maturaarbeit «Die Geburt der Vampirin» überzeugen.
Jonas  Hess

Was hat Feminismus mit weiblichen Vampiren zu tun? So einiges, stellt Fiorella Koch in ihrer Maturaarbeit «Die Geburt der Vampirin» fest. Als sie von ihrem Referenten das Thema «Vampire in der Literatur» als Vorschlag erhielt, befasste sie sich erst mit den männlichen Blutsaugern. Schnell habe sie aber gemerkt, dass Vampirinnen viel spannender sind. «Mir fiel auf, dass Geschichten über weibliche Vampire im 19. Jahrhundert erstmals auftauchten. Gleichzeitig begann in dieser Zeit eine feministische Welle, welche die patriarchalischen Strukturen hinterfragte.» Koch kam zum Schluss, dass die Entstehung der Vampirin mit den gesellschaftlichen Umbrüchen im Zusammenhang stehen muss. Die 18-Jährige stellte die These auf, dass die Figur der Vampirin dazu benutzt wurde, um das weibliche Geschlecht zu «dämonisieren». Anders gesagt, sollte die Vampirin dazu dienen, das «Schreckensbild» der modernen Frau dem Mann im 19. Jahrhundert vor Augen zu führen. Eine Vampirin sei, in diversen Erzählungen im Gegensatz zur damaligen Frau, selbstständig und eigenständig dargestellt worden. Sie habe die Rolle der Verführerin eingenommen, was im 19. Jahrhundert nur dem Mann zugestanden wurde. Auch die Vermehrungsfähigkeit einer Vampirin, welche durch einen blossen Biss einen neuen Blutsauger «zeugen» kann, interpretiert Koch als bedrohlich erscheinend für den damals meist männlichen Leser. Dank dem Studium diverser literarischer Texte aus dieser Zeit fiel Fiorella Koch sogar auf, dass Vampirinnen Künstlernamen hatten und somit nicht den Nachnamen eines Mannes trugen. Dies machte die weibliche Fantasy-Figur zusätzlich unabhängig. Koch sagt, dass ihr diese Thesen nicht vom Dozenten vorgelegt wurden. «Ich bin per Zufall auf dieses wiederkehrende Muster gestossen und fand es sehr interessant, mich genauer damit zu befassen.»

Vampirin folgt auf Hexe
Besonders spannend an der Vampirin war für Koch die Tatsache, dass die Figur sehr plötzlich auftauchte und gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder aus den Romanen und Gedichten verschwand. «Durch diese Feststellung bin ich erst darauf gekommen, dass die Vampirin einen Zusammenhang zum Feminismus haben muss.» Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hätten Hexen als Feindbilder der Patriarchaten gegolten. Als die Hexenverfolgung verboten wurde, sei die Vampirin entstanden. Quasi als Ersatz für die Hexe. Diese These habe sie aber nicht beweisen können. Warum danach auch die Vampirin wieder verschwand, weiss Koch nicht. Die Frage sei, was danach folgte.

Man kann diese Frage auch umdrehen. Glaubt Fiorella Koch, dass heutige Frauen noch dämonisiert werden? «Davon bin ich überzeugt, ja.» Eine eigenständige Frau, welche nicht dem «Idealbild» entspreche und sexuell unabhängig sei, werde in gewissen Kreisen auch heute noch schnell «zur Hure» erklärt. Auch das Bild der «agressiven Feministin», welche nicht ernst genommen werde, wenn sie für ihre Rechte einstehe, passe dazu.

40 Mitbewerber ausgestochen
Feminismus bedeutet für Fiorella Koch «gleichgestellt» zu sein. «Ich glaube, dass dies viele immer noch nicht richtig verstehen.» Es gehe nicht darum, dass Frauen etwas Besseres seien als Männer, sondern nur, dass sie die gleichen Rechte hätten. «Das ist uns inzwischen in vielen Bereichen gelungen, aber noch nicht überall.» Für Koch ist klar, dass man sich als Frau für das Thema Feminismus interessieren muss. Am Frauenstreik oder sonstigen Aktionen der Frauenbewegung hat Fiorella Koch aber noch nie teilgenommen. «Das liegt daran, dass ich nicht an die politische Wirksamkeit von Streiks glaube», sagt Koch.

Insgesamt ist Fiorella Koch mit ihrer Arbeit sehr zufrieden. «Ich bin stolz darauf, dass ich meine These bestätigen konnte.» Eine Herausforderung sei gewesen, sich an den vorgegeben Umfang der Arbeit zu halten und alles Wichtige einzubinden und den roten Faden nicht zu verlieren. Gerne hätte sie sich noch vertiefter mit der Hexenverfolgung beschäftigt und mehr Bücher als Vergleich herangezogen. «Wer weiss, vielleicht hätte ich dann meine These sogar widerlegen müssen.»

Trotz Selbstkritik zeigten sich die Experten des Wettbewerbs «Fokus Maturaarbeit» hoch zufrieden mit ihrer Arbeit. Unter circa 40 Mitbewerbern aus der ganzen Zentralschweiz wurde «Die Geburt der Vampirin» mit der Note 5.8 in der Kategorie «Geisteswissenschaften, Literatur, Linguistik» als die Beste bewertet. Die Auszeichnung soll als «Fähigkeitsausweis zum Studium» dienen. Mit was sich Fiorella Koch in den nächsten Jahren beschäftigen will, ist ihr klar. «Ich möchte Journalismus an der ZHAW in Winterthur studieren.»

von Jonas Hess

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