Immer für eine Überraschung gut

Fussball, Woman Super League Die Aescher Fussballerin Julia Höltschi wurde letzten Sommer mit dem FC Luzern Cupsiegerin – nun kämpft die Offensivspielerin in der höchsten Schweizer Frauenliga mit dem Aufsteiger FC Aarau um den Klassenerhalt. Eine Herausforderung, die ihr gefällt.

Julia Höltschi beim Spiel YB-Aarau. Bild: Freshfocus
von Jonas Baud

«Wir haben in Aarau ein junges Team mit viel Potenzial und ich kann mit meiner Erfahrung helfen», sagt Julia Höltschi. Die 25-jährige Aescherin spielt seit dieser Saison beim Aufsteiger «Red Boots» FC Aarau in der Women Super League. Sie ist Stammspielerin und wird als Flügelspielerin sowie Stürmerin eingesetzt. Der Rückrundenstart vergangene Woche gegen St. Gallen-Staad missglückte zwar (1:3 zu Hause), aber nach 10 gespielten Runden sind die Aarauerinnen nach wie vor «über dem Strich», sie liegen mit 11 Punkten auf dem 7. Platz, die Abstiegsplätze liegen 8 Punkte entfernt. «Wir wollen mindestens Rang 8 erreichen und uns für die Meisterplayoffs qualifizieren.»

Die zwei untersten Teams müssen die Abstiegsrunde bestreiten. «Diese wollen wir vermeiden. Jede von uns ist äusserst motiviert, das spüre ich, und daher glaube ich fest daran, dass wir es schaffen können», sagt die ehrgeizige junge Frau.

An Selbvertrauen arbeiten

Dass die «roten Stiefel» in der Liga als «Underdog» gelten, ist für Höltschi kein Nachteil: «So können wir befreit aufspielen und die Favoriten ärgern, das mögen wir», meint sie schmunzelnd. Noch sind acht Spiele zu absolvieren; für ihr Team liegt also noch alles drin. Wie viele Tore oder Vorlagen sie dabei verbuchen wird, ist ihr nicht so wichtig. «Ich gebe in jedem Spiel alles und möchte auf diese Weise zum Erfolg beitragen.» Sie sieht ihre Stärken darin, dass das andere Team nie wisse, was sie als Nächstes tun werde – ob von ihr nun ein Torschuss kommt oder doch ein Pass. «So bin ich unberechenbar und kann jederzeit überraschende Aktionen liefern.»

An ihrem Selbstvertrauen müsse sie aber noch ein wenig arbeiten. «Ich lasse noch zu schnell den Kopf hängen, wenn es nicht so läuft. Da muss ich positiver werden und gleich vorwärtsschauen.»

Leben für den Moment

Den Transfer vom FC Luzern zu Aarau bereut sie nicht. «Ich bin im Guten gegangen und habe viel gelernt dort. Aber beim FCA kann ich mehr Verantwortung übernehmen.» Die drei Jahre in Luzern verliefen für Höltschi erfolgreich – besonders dank dem Cupsieg im Juni 2021. Doch es gab auch Rückschläge – 2019 riss sie sich das Kreuzband und fiel ein Jahr aus. «Doch ich stellte meine Karriere nie infrage und war fest entschlossen, zurückzukehren.»

Die Zukunft lässt Höltschi auf sich zukommen. «Ich bin nicht eine, die langfristig denkt. Ich will im Moment leben, und wenn ich gute Leistungen zeige, kann noch vieles passieren.» Eine Berufung ins Nationalteam oder ein Wechsel ins Ausland würde sie aber nicht ablehnen. In den letzten Jahren sind immer mehr Schweizerinnen in fremde Ligen gewechselt und sind auch bei grösseren Klubs gefragt; Ana-Maria Crnogorcevic spielt etwa in Barcelona, Ramona Bachmann in Paris und Lia Wälti bei Arsenal London.

Arbeiten im Altersheim

Nur die Schweizer Liga kann mit dem gestiegenen Niveau der Spielerinnen nicht mithalten, die Rahmenbedingungen und die Infrastruktur sind ausbaufähig. Beim FC Aarau trainieren und spielen die Frauen nicht im Hauptstadion, sondern im Nebenplatz. «Das Interesse der Medien und vom Fernsehen ist zwar stärker geworden, aber der Stellenwert vom Frauenfussball hierzulande kann sich verbessern. Auch ökonomisch ist es im Ausland attraktiver.» So müssen die meisten Kickerinnen hier neben dem Sport noch arbeiten – Höltschi wohnt zu Hause bei den Eltern und arbeitet zu 70 Prozent als Fachfrau Gesundheit in einem Altersheim in der Nähe. «Es wäre wünschenswert, wenn wir in Zukunft finanziell besser entschädigt werden, damit wir uns optimaler auf den Fussball konzentrieren können. Ich habe einen flexiblen Arbeitgeber, daher kann ich Sport und Beruf gut miteinander vereinbaren.» Trainings finden viermal pro Woche statt, dazu kommt jeweils ein Meisterschaftsspiel am Samstag. «Manchmal bin ich müde von der Arbeit, da kommt es schon vor, dass ich anstatt dem Training lieber schlafen würde.»

Höltschi schiesst 
103 Tore in der 4. Liga

Höltschi ist in einer sportbegeisterten Familie gross geworden, ihre Brüder spielen auch Fussball – einer davon, Dominik, ist Mittelfeldspieler beim FC Eschenbach in der 2. Liga Inter. Nicht Fussball zu spielen, nur weil sie ein Mädchen war, kam für sie nicht infrage. «Schon als Kind machte mir das am meisten Spass.» Seither ist sie es sich gewohnt, dass sie sich ab und zu dumme Sprüche anhören muss. «Darauf gehe ich gar nicht ein, ich schenke dem keine Beachtung mehr.» Die positiven Reaktionen würden ganz klar überwiegen. «Ich spüre von Freunden und meinem Umfeld viel Goodwill, sie besuchen auch manchmal meine Spiele.» Höltschi begann als Juniorin beim FC Hitzkirch, ging dann zu Meisterschwanden und zeigte dort so richtig, was in ihr steckt. Im Alter von 18 Jahren gelangen ihr in der 4. Liga in einer Saison sagenhafte 103 Tore. So wurde der damalige NLB-Klub FC Aarau auf sie aufmerksam, und nach ein paar Probetrainings wurde sie verpflichtet. Den Sprung in eine deutlich höhere Spielklasse konnte sie gut verkraften. «Ich musste zwar noch hart trainieren, aber ich merkte schnell, dass ich kein Problem habe, mitzuhalten.» Mit Aarau stieg sie in die oberste Liga auf, nach einer Saison aber wieder ab. «Daher wechselte ich dann nach Luzern, dort zeigte ich, dass ich auf höchstem Niveau eine gute Rolle spielen kann.» Nun ist ihr Fokus also wieder der FC Aarau. «Wie lange ich noch Fussball spielen werde, kann ich nicht sagen. Solange ich Spass daran habe und gesund bleibe, mache ich weiter. Holz alänge» schliesst die bodenständige Seetalerin.

Aarau gegen GC am Ball. Bild: Hans Rieger

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