Bewegte Bilder in Ballwil, Berlin und Bern  

Gurli Bachmann ist Illustratorin, Grafikerin sowie Animationsfilmerin. Von der Kunst zu leben, ist jedoch eine ständige Herausforderung.

Jonathan Furrer

«Schon als Kind habe ich gerne und oft gezeichnet», sagt die freiberufliche Seetaler Künstlerin Gurli Bachmann (33). «Da war es für mich früh klar, dass ich beruflich in diesem Bereich tätig sein will.» Die aus Ballwil stammende und in Bern wohnhafte Künstlerin ist vielseitig aktiv – sie ist Illustratorin, Grafikerin sowie Animationsfilmemacherin und arbeitet zusammen mit anderen Künstlern in einem Gemeinschafts­atelier. «Mein aktuelles Projekt ist ein Animations-Kurzfilm namens ‹Schleudergang›. Er handelt von zwei Socken, die sich in einer Waschmaschine verlieren», erläutert Bachmann schmunzelnd. «Er richtet sich also eher an ein jüngeres Publikum, aber Erwachsene werden sicher ebenfalls ihre Freude daran haben. Er ist fast fertiggestellt, im Moment befinde ich mich im Endspurt.» Bachmann arbeitet seit etwa eineinhalb Jahren am Film, zu sehen sein wird er voraussichtlich im Herbst dieses Jahres an internationalen Filmfestivals, sofern diese stattfinden können. Finanziert wird der Film von Sponsoren und Filmförderungen, Bachmann hat die meiste Arbeit selbst gemacht. Zeichnungen, Produktion, Regie und Drehbuch liegen in ihren Händen, bei der Animation am Computer hat sie versierte Helfer. «Es ist für mich ein befriedigender künstlerischer Prozess, wenn eigene Ideen verwirklicht und aus Zeichnungen bewegte Bilder werden.» Zudem lebt Bachmann vom Erstellen von Animationen und Illustrationen für verschiedene Arbeitgeber – für Magazine, Webseiten, Bücher oder Infokampagnen. So etwa Erklär-Animationen über die Europapolitik für das Jacques Delors Institut in Berlin oder ein kurzes «illustriertes Lexikon» zum Leben und Arbeiten am Kulturwissenschaftlichen Kolleg Konstanz. Für den Geschenkshop «Pureprints» zeichnet sie regelmässig personalisierte Poster, Plakate und Postkarten.

Nur noch selten «zu Hause»
Bachmann ist in Ballwil aufgewachsen. «An meine Kindheit dort habe ich viele schöne Erinnerungen.» Ihre Eltern hatten für sie den exotischen Vornamen «Gurli» ausgesucht, der auf persisch «Rose» bedeutet und aus der Märchensammlung «1001 Nacht» stammt. «Doch wegen dieses Namens wurde ich in der Schule oft gehänselt, daher beschloss ich irgendwann, dass ich mit meinem zweiten Vornamen Selina angesprochen werden will.» Während ihrer Jugend war sie also als Selina bekannt. «Erst in der Kanti änderte ich das wieder zu Gurli.» Im Alter von 21 Jahren verliess Bachmann Ballwil in Richtung Luzern, und heute besucht sie das Dorf nur noch selten, da ihre Familie nicht mehr dort wohnt. «Wenn ich dorthin komme, fühlt es sich aber dennoch an wie zu Hause.» 

Ihre Kunst ist in Ballwil gefragt
Als Gurli Bachmann vor Kurzem mit einer Freundin auf Besuch bei deren Eltern dort war, erkundigte sich der Vater dieser Freundin, der ehemalige Ballwiler Gemeindepräsident Hans Moos, bei ihr, ob sie Lust habe, den Umschlag des Dorfgeschichtsbuches «Ballwil im Rückspiegel» zu gestalten – der erste Band des Werks, bei welchem Moos einer der Autoren ist, erschien Ende 2021. «Da sagte ich natürlich sofort zu, ich empfand diese Aufgabe als reizvoll, auch wegen meiner persönlichen Bindung zum Ort.» Bachmann hatte nur die Vorgabe ein Mammut, ein Einhorn und die Seetalbahn zu zeichnen, und setzte dies in ihrem typisch spielerischen Stil um. Das war nicht ihre einzige Aufgabe in ihrer Heimat – für eine Ausstellung über den Margrethenhof in Ballwil hatte sie bereits die Broschüre gestaltet. Um zu ihrem Stil zu finden, brauchte sie eine Weile, doch nun zeichnet sie am liebsten nur noch so. «Das gehört zu mir, so kann ich mich am besten ausdrücken und bin so quasi meine eigene Marke.» Sie lässt sich am liebsten inspirieren von absurden oder witzigen Alltagssituationen. «Eine kleine humoristische Note ist daher oft zu bemerken in meinen Arbeiten.» Menschen zeichnet Bachmann nicht so gerne, dafür umso lieber Tiere. «Besonders Katzen haben es mir angetan.»

Leben auf einem anderen Planeten
Obwohl ihre Eltern nichts mit dem Kulturbereich zu tun haben, unterstützten sie von Anfang an den Wunsch ihrer Tochter, beruflich eine künstlerische Richtung einzuschlagen. «Sie haben mir die Freiheit gelassen, selbst zu wählen, was ich in Zukunft machen will.» In Luzern studierte sie an der Hochschule für Design und Kunst das Fach Illustration und schloss dies mit dem Bachelor ab. «Das war für mich eine tolle Zeit, das Studium ist praxisbezogen und ich konnte mich künstlerisch austoben.» Doch damit war der schulische Weg für sie noch nicht zu Ende. Die Seetalerin zog nach Berlin, um dort an der Kunsthochschule Weis­sensee Animation zu studieren – sie schloss diese mit dem Master ab. «Für jemanden wie mich, die auf dem Land aufgewachsen ist, war Berlin wie ein anderer Planet.» Doch gefiel es Bachmann schnell gut dort, sie genoss die schier unendlichen kulturellen Angebote und Möglichkeiten. In Berlin entdeckte sie auch ihre Liebe zum Animationsfilm. Ihre Master-Abschlussarbeit war der avantgardistische, fünfminütige Animations-Kurzfilm «Inverno» (Winter) über einen Kater, der in den Wolken einen verschwundenen Freund sucht – ein kleines, aber feines Werk mit hintergründigem Witz und gleichzeitig einer Prise Melancholie. Der Film wurde auf vielen internationalen Filmfestivals in Europa und den USA gezeigt und kam beim Publikum gut an. «Von den Kritikern wurde er jedenfalls gelobt.» Die Ausbildung empfand Bachmann als wertvoll. «Persönlich hat mich die Zeit an dieser Schule weitergebracht. Die Professorinnen haben mich inspiriert und mich dazu ermutigt, meinen eigenen Weg zu gehen.» Das Leben in Berlin war eine erfüllende Phase für Bachmann. «Es gab aber Momente, wo ich mich in dieser Millionenmetropole etwas verloren fühlte.» Das änderte sich jedoch, als sie sich langsam einen Freundeskreis «erarbeitete», auch ihren deutschen Lebenspartner lernte sie in Berlin kennen – aber nicht in der Kulturszene. «Sondern in einer Klettergruppe», erzählt sie. Insgesamt sechs Jahre lebte die Ballwilerin in der deutschen Hauptstadt. 2021 beschloss sie gemeinsam mit ihrem Lebenspartner in die Schweiz zu kommen und hier zu leben. «Er hatte hier ein Jobangebot als Maschinenbauingenieur und ich wollte zurück, aber nicht wieder nach Luzern. Darum haben wir uns Bern ausgewählt und fühlen uns dort jetzt wohl.» 

Die Suche nach dem zweiten Standbein
In der Schweiz zu wohnen, ist jedoch nicht gerade billig, und ihr Einkommen als Künstlerin ist mal mehr, mal weniger hoch. «Es braucht manchmal ein dickes Fell in schlechten Zeiten, um diese gut zu überbrücken.» Im Moment gehe es noch gut, aber schon bald sei sie auf neue Projekte und Aufträge angewiesen. «Ausserdem wäre ich ehrlich gesagt froh um ein zweites berufliches Standbein, damit ich eine gewisse ökonomische Sicherheit habe.» In Deutschland hatte sie beim Fernseh­sender ZDF in der Grafik­abteilung gearbeitet, sie war in einem Pensum von 80 Tagen pro Jahr dort angestellt. «Ich habe dort die Animationen und Diagramme für verschiedene Sendungen erstellt.» So was in der Art sucht Bachmann ebenfalls in der Schweiz, bisher ohne Erfolg. «Ich kann mir aber auch vorstellen, was ganz anderes zu machen, etwa in der Landschaftspflege oder im Gartenbau.» Gelegentlich packt sie auf dem Weingut ihres Vaters mit an – dieser hat sich als Winzer im Tessin selbständig gemacht. «Möglicherweise helfe ich künftig dort mehr mit oder übernehme dort eines Tages ganz.» Doch der Hauptfokus gilt weiterhin ihrer aktuellen Tätigkeit. Ihr Ziel ist es, weitere Animationsfilme zu machen, am liebsten für Kinder. «Ich habe gemerkt, dass meine Werke bei ihnen sehr gut angekommen.» Daher möchte Bachmann auch gerne mal ein Kinderbuch illustrieren. Nun gilt es, ihre Vorhaben in Taten umzusetzen. Dass sie das Talent, den Ehrgeiz und den Fleiss hat, um im «Kulturkuchen» eine Rolle zu spielen, hat Gurli Bachmann bereits gezeigt – man darf also sicherlich gespannt darauf sein, was von ihr alles noch kommen wird. Wer weiss, vielleicht wird sie in ferner Zukunft in einer Fortsetzung der Ballwiler Dorfchronik als «eine der wichtigsten Künstlerinnen aus unserem Dorf» gewürdigt.

Jonas Baud

www.gurlibachmann.ch

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