Wenn die Kröten der Liebe wegen reisen

Freiwillige retten im Kanton Luzern jährlich rund 30 000 Amphibien vor dem Strassentod. Die Tiere queren auf der Wanderung zu ihren Laichplätzen die Strasse.

Werner Rolli

Die Sonne schiebt sich langsam über den Horizont und taucht die Berge in ein goldenes Licht. Der Frühling rückt näher, das Wetter wird allmählich wärmer. Das merken auch Frösche, Kröten und Molche. Sie begeben sich auf Wanderschaft zu ihren Laichplätzen. Dabei wandern sie unbeirrt Jahr für Jahr ihres Lebens zum gleichen Gewässer, an dem sie auch schon geboren wurden. Eine Art innere Uhr führt sie automatisch dort hin.

Hanspeter Brügger stapft zum Hasliwald, wo seit Ende Februar Amphibienfallen installiert sind. «Gestern habe ich 97 Tiere eingesammelt», sagt Brügger und präzisiert sogleich: «das waren Erdkröten, Frösche hatte es nur ganz wenige dabei». Das hat unter anderem auch mit den natürlichen Feinden der Tiere zu tun.

Frösche legen ganze Laichballen in Verlandungszonen von stehenden oder langsam fliessenden Gewässern ab. Dank der Gallerthülle, welche die Eier umhüllt und schützt, schwimmen die Eier an der Wasseroberfläche. So werden diese von der Sonne beschienen und erwärmt. Ihr Laich ist so aber auch eine leichte Beute für Fische, Enten und Gänse. Kröten legen ihre Laichschnüre vorzugsweise zwischen Pflanzenstängeln ab. Ausserdem schmeckt ihr Laich den meisten Tieren nicht, aufgrund des Sekrets, das Kröten ausstossen. Graugänse, die auch am Gütschweiher ihren Nachwuchs aufziehen, fressen gerne Kaulquappen und auch erwachsene Frösche, wie Hanspeter Salzmann, Fischereipächter, erklärt.

Freiwillige retten Tiere

Hanspeter Brügger ist einer von vielen Freiwilligen, die im Kanton Luzern alljährlich bis zu 30 000 Amphibien vor dem Strassentod retten. Seit 1989 verfügt der Kanton, genau genommen die Dienststelle Landwirtschaft und Wald, überall dort, wo die Wanderrouten von Fröschen und Kröten Strassen queren, eine nächtliche Sperre. Diese Schutzmassnahmen sind laut dem Lawa erforderlich, damit die Amphibien nicht Opfer des Verkehrs werden und lokale Populationen aussterben. Im Kanton Luzern sind über 30 solche Zugstellen bekannt. Im Seetal ist dies namentlich die Verbindungsstrasse zwischen Ballwil und Urswil. Hier wandern die Tiere vom besagten Hasliwald hinüber zum Gütschweiher. Deshalb sperrt die Gemeinde – insbesondere in feuchten, milden Nächten – die Urswilstrasse jeweils von 19 Uhr bis 4 Uhr in der Früh. Dafür ist der Werkhof zuständig, der die entsprechende Beschilderung vornimmt.

Die Dienststelle Landwirtschaft und Wald koordiniert die Schutzmassnahmen. Unter der Mithilfe von Gemeinden, Schulen, Naturschutzvereinen und der Bevölkerung werden zudem bei einem Grossteil der Zugstellen temporäre Zäune aus Kunststoffwellplatten aufgestellt. Beim Zaun angelangt, laufen die Amphibien diesem Leitwerk entlang und fallen dabei in eingegrabene Kessel. Jeden Tag tragen Freiwillige die Tiere über die Strasse zu den Laichgewässern.

In Ballwil ist es eine kleine Gruppe, die sich dem Schutz der Amphibien verschrieben hat. Die meisten von ihnen sind im Pensionsalter, erklärt Hanspeter Roth. Daher sei die Hilfe des Werkhofpersonals so wertvoll: Sie lagern die Zäune und Kessel während dem Jahr und helfen im Februar bei Transport und Installation. Roth engagiert sich seit über 20 Jahren in der Gemeinde, seit sechs Jahren ist der Präsident der Energie- und Umweltkommission. Er koordiniert die Einsätze der freiwilligen Helfer. Ihn freut aber besonders, dass sich mit Gianluca Aragi ein junger Mann für die Amphibien einsetzt. Auf Spaziergängen mit seinem Vater hat er nämlich festgestellt, dass sich viele Automobilisten nicht an die Strassensperrung halten. Immer wieder haben die beiden tote Tiere auf der Strasse vor gefunden. Das sind jetzt drei Jahre her.

Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Trotz Sperrung zählte Gianluca Aragi bis zu 65 Fahrzeuge innert kurzer Zeit. Wollte man diese konsequent umsetzen, müsste eine Barriere installiert werden, was unpraktisch ist oder die Polizei müsste regelmässige Kontrollen durchführen und Bussen verteilen. Er wandte sich an den Kanton und meldete seine Beobachtungen der regionalen karch-Vertretung (das nationale Daten- und Informationszentrum der Schweiz für Amphibien und Reptilien) in Root, die daraufhin empfahl, einen temporären Amphibienzaun zu installieren. Im Frühling dieses Jahres war er so weit.Bis es so weit war, wanderte Aragi jeweils am Abend oder am frühen Morgen zur Urswilerstrasse, sammelte Tiere ein und trug diese zum nahen Gütschweiher. Dieser ist im Bundesinventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung eingetragen. 293 Amphibien hat Gianluca so über die Strasse geholfen. Unterdessen absolviert Gianluca Aragi eine Berufsausbildung als Kundenbegleiter bei den SBB. An Wochenenden ist der 16-Jährige immer noch anzutreffen beim Einsammeln von Kröten und Fröschen.

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