«China war wie eine andere Welt»

Die Snowboarderin Ariane Burri hat ihre ersten Olympischen Spiele hinter sich. Die 21-jährige Eschenbacherin erzählt davon, wie sie die Zeit in China erlebt hat und wie sie ihre sportlichen Leistungen beurteilt.

Jonathan Furrer

Ariane Burri, was waren Ihre Eindrücke, als sie in China ankamen?
Es hat sich angefühlt wie eine andere Welt. Am Flughafen war deutlich zu spüren, dass sie in China viel strenger mit Corona umgehen als in der Schweiz. Bevor wir unser Gepäck abholen konnten, mussten wir erst Tests machen. Und dann fuhren wir mit dem Bus von Peking ins Skigebiet, dort war es eisig kalt bei -20 Grad. Insgesamt war ich 19 Tage in China, ich hatte zwei Wettkämpfe zu bestreiten.

Fühlten Sie sich wohl in der Unterkunft und im Trainingsgelände?
Im Skigebiet, wo der Slopestyle-Wettbewerb stattfand, teilte ich ein kleines Apartment mit einer anderen Freestyle-Snowboarderin, der Engadinerin Bianca Gisler. Gegessen haben wir zusammen mit dem Team im Hotel. In der Stadt Peking, wo der Big Air-Wettbewerb ausgetragen wurde, wohnten wir mit allen anderen Snowboardern in einem Haus. Beide Orte waren wie eine «Bubble» ohne Kontakt zur Aussenwelt, die Areale waren eingezäunt und bewacht.

Haben Sie versucht, mal rauszugehen, einen Spaziergang zu machen?
Im Skigebiet warteten wir mal nach dem Training auf den Bus und er kam einfach nicht, und die Chinesen, die wir fragten, konnten kein Englisch. Also beschlossen wir, selbstständig zur Unterkunft zu marschieren, doch bereits nach 100 Metern wurden wir von der Polizei aufgehalten. Es gab also keine Chance, sich frei zu bewegen.

Wurden die Athleten überwacht oder abgehört?
Es gab überall Kameras, ich glaube, sogar in unserem Zimmer. Ich machte mir aber keine Gedanken darüber, was ich sagte oder schrieb am Smartphone, vielleicht war das etwas naiv. Aber ich sagte nichts Kritisches gegen China, das man hätte gegen mich verwenden können. Ins Internet gingen wir mit einer verschlüsselten Verbindung, daher konnten wir soziale Plattformen oder Google nutzen.

Wie streng waren die Corona--Regeln?
Wir mussten jeden Tag Tests machen und fast überall Maske tragen. Wir gewöhnten uns schnell an die Maske, sie machte mir mit der Zeit nicht mehr viel aus. Wenn ich in mein Zimmer kam, merkte ich oft erst nach einer Weile, dass ich immer noch eine trage. Am Anfang hatte ich etwas Angst, dass ich positiv getestet werden würde und in Isolation müsste, doch die Bedenken verschwanden mit der Zeit, da die Sicherheitsvorkehrungen so gross waren, dass die Ansteckungsgefahr äusserst gering wurde.

Wie haben Sie die Stimmung und die Menschen dort erlebt, kamen Sie in Kontakt mit der lokalen Bevölkerung?
Ausser mit den chinesischen «Volunteers» kam man eigentlich nicht in Kontakt mit den Menschen dort. Diese Helfer waren sehr freundlich und höflich. Man merkt aber, dass sie dazu erzogen worden sind, zu tun, was ihnen gesagt wird und dass sie keine eigene Meinung haben dürfen. Es ist krass, diesen Unterschied zu spüren zu unserer Welt, die ja viel freiheitlicher geprägt ist als die in China. Von den touristischen Sehenswürdigkeiten habe ich leider keine gesehen. Nur auf dem Weg zu den Sportanlagen bekam ich ein wenig mit von der Stadt Peking, ich sah riesige, baufällige Wohngebäude oder Leute, die in den Parks Tischtennis spielten.

Es gab viel kritische Berichterstattung über China. Was sagen Sie dazu?
Mir war bewusst, dass nicht alles gut läuft in China, besonders mit der Meinungsfreiheit oder den Menschenrechten. Aber wir Athleten wurden gut behandelt und ich spürte, dass sie wollten, dass wir uns wohlfühlen. Die Infrastruktur war top und die Anlagen in einem guten Zustand, die Bedingungen waren gut, nur das Wetter wurde dann mit der Zeit schlechter, es kamen Wind und Schnee auf.

War es aus Ihrer Sicht richtig, dass Olympia dort ausgetragen wurde?
Ja, für uns war es sehr wichtig, dass die Spiele stattfanden. Olympia ist im Sport der absolute Höhepunkt. Und für einzelne Athleten wäre es sowieso nicht sinnvoll gewesen, den Anlass zu boykottieren, das hätte nichts gebracht. Wenn schon, hätten die Länder als Ganzes beschliessen müssen, nicht hinzureisen. Und ich denke, dass es vielleicht sogar positiv war, dass die Spiele in China stattfanden. So wurden die Probleme dort offen thematisiert, das Regime musste sich in einem guten Licht präsentieren und konnte sich keine negativen Berichte leisten.

Wie war denn der Alltag dort?
Wir hatten jeden Tag mehrere Stunden Training und Vorbereitung, und in der Freizeit wurde es mir nie langweilig. Ich nahm meine Stricksachen mit und «lismete» eine Kappe für eine Kollegin, und wir machten Gesellschaftsspiele. Ab und zu gingen wir Wettkämpfe live vor Ort anschauen.

Wie sind Sie zufrieden mit Ihren sportlichen Leistungen?
Ich bin grundsätzlich zufrieden mit meinem Einsatz, ich konnte viele Erfahrungen sammeln, auch wenn nicht alles optimal lief.

Wie lief es im Slopestyle, dort haben Sie ja überraschend den 12. Rang erreicht.
Ich war sehr glücklich darüber, dass ich den Final erreichen konnte. In der Qualifikation gelang mir ein guter Run. Doch vor dem Final war ich dann etwas müde und es war nicht leicht, mich nochmal voll zu fokussieren. Also war ich da etwas unsicher und fand das Timing nicht, und dann stürzte ich leider ein paar Mal. Ich glaube, wenn alles perfekt gelaufen wäre, hätte ich unter die Top 6 fahren können.


Wie waren die Reaktionen auf diesen Erfolg?
Ich wurde überwältigt von der grossen Aufmerksamkeit, die ich erhielt aus der Schweiz. Es meldeten sich viele Familienmitglieder und Freunde, von denen ich seit Jahren nichts mehr gehört hatte. Auch auf Instagram bekam ich sehr viele Nachrichten. Ich war es mir gar nicht gewohnt, dass sich die Medien für mich so interessierten, das war neu.

 

Ist Ihr Bekanntheitsgrad dadurch grösser geworden, werden Sie jetzt öfter angesprochen und um ein Autogramm oder ein Selfie gebeten?
Nein, so ist es dann doch nicht (lacht). In Eschenbach wurde ein Plakat von mir aufgestellt, da wurden sicher einige Leute im Dorf auf mich aufmerksam. Und bevor ich nach China reiste, hat eine Schulklasse ein Lied für mich geschrieben, um mir Glück zu wünschen. Das fand ich echt lieb und «herzig».

Im zweiten Wettbewerb, im Big Air, lief es dann gar nicht gut, Sie schieden bereits in der Qualifikation aus. Was war da los?
Ich musste dort zwei Sprünge zeigen, der erste ist mir gelungen, beim zweiten bin ich zwar gelandet, konnte jedoch die Balance nicht halten und rutschte aus. Daher bin ich dann ausgeschieden. Das war für mich eine grosse Enttäuschung, denn ich hatte mir viel vorgenommen. Ich muss lernen, in Drucksituationen meine besten Leistungen abzurufen, das fällt mir noch schwer.

Was tun Sie dafür, dass Sie mit dem Druck in Zukunft besser umgehen können?
Ich arbeite daran mit meiner Mentaltrainerin Manuela Ciotto, das ist ein längerer Prozess. Ich denke, je besser ich meine Tricks und Sprünge beherrsche, desto sicherer werde ich mich fühlen. Gerade in meiner Sportart ist Erfolg auch Kopfsache, die Besten sind im mentalen Bereich enorm stark.

Noch ist die Saison nicht vorbei, fällt es Ihnen nach Olympia nun schwer, sich zu motivieren?
Nein, überhaupt nicht, im Gegenteil, ich bin sehr motiviert, in den letzten drei Weltcups im März (in Georgien, Tschechien und Silvaplana) so gut wie möglich zu snowboarden und unter die Besten zu kommen. Und an den Schweizer Meisterschaften im April werde ich voll auf Sieg fahren, sonst müsste ich da gar nicht mitmachen. Am liebsten würde ich da im Slopestyle und im Big Air den Titel holen.

Und langfristig, welche Ziele haben Sie für Ihre weitere Karriere?
Mein grosses Ziel ist es, an den Olympischen Spielen oder den Weltmeisterschaften Medaillen zu holen oder zu gewinnen. Ich trainiere täglich hart, um mich zu verbessern, und ich glaube fest daran, dass ich dies erreichen kann.

von Jonas Baud

 

Autogrammstunde: Am Sonntag, 27. Februar, verteilt Ariane Burri von 9 bis 10 Uhr morgens in der 
Bäckerei Rosenegg in Ballwil Autogramme.

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