Ein neuer «Schatz» für Druckatelier

Sieben ­Tonnen schwer und Drucke im Grossformat: Der Verein Weiss- und Schwarzkunst erhält eine neue alte Druckmaschine für Lithografien – eine «Johannisberg 1911».

Ernst Hanke, der zum Druckteam des Vereins Weiss- und Schwarzkunst gehört, arbeitet an einer «Johannisberg 1911», die in Schweden steht. Foto Screenshot Youtube
Jonas  Hess

In der ganzen Schweiz gibt es noch drei Druckerpressen mit der Bezeichnung «Johannisberg 1911». Die Jahreszahl verweist auf ihr Entstehungsdatum. Das Steindruckverfahren wurde bereits Ende des 18. Jahrhunderts erfunden, diente damals aber rein reproduktiven Zwecken. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts bedienten sich auch Künstler der Drucktechnik, vor allem die Impressionisten in Frankreich konnten der Lithografie viel abgewinnen. Auch die Vertreter der Klassischen Moderne, wie Pablo Picasso oder Emil Nolde, schufen Lithografien. Die Künstler können frei auf einen Stein, der als Druckplatte dient, zeichnen. Als Druckgrafik auf Papier wirken die Bilder oft wie Handzeichnungen. Lithografien sind noch immer ein wichtiges, künstlerisches Ausdrucksmittel. Beim Drucken können nur eine oder mehrere Farben verwendet werden. Lithografien waren auch in der frühen Werbegrafik wichtig.

Ein eigener Raum 
Nun erhält der Verein Weiss- und Schwarzkunst, der in der «Alti Cherzi» seit einigen Jahren ein Druckatelier betreibt, eine «Johannisberg 1911». «Diese Maschine erhält ihren eigenen Raum, der im Parterre liegt und nicht unterkellert ist», sagt Yvonne Camenzind vom Verein Weiss- und Schwarzkunst. Eine Sieben-Tonnen-Maschine kann man schliesslich nicht einfach irgendwohin stellen. Der dafür vorgesehene Raum wird extra für sie umgebaut. Gemütlich und warm soll es werden, sodass Kunstschaffende, aber auch weitere Interessierte die Druckmaschine in einer «offenen Werkstatt» nutzen können. «Geplant ist der Bau einer Galerie, von wo aus man der ‹Johannisberg 1911› zuschauen kann.» Allerdings gibt es beim Umbau eine Verzögerung, denn das Dach des Raums wurde beim Unwetter von Ende Juni durch Hagel beschädigt. «Wir hoffen, dass wir wenigstens die Maschine bald aufstellen können.» Diese lagert zurzeit in ihre Einzelteile zerlegt bei einem Transport­unternehmer und wartet auf ihre Reise nach Hochdorf. Yvonne Camenzind rechnet damit, dass im Spätherbst alles fertig eingerichtet ist.

Bei Dresden gebaut, in der Schweiz von Chagall verwendet 
Gesucht hat der Verein Weiss- und Schwarzkunst die «Johannisberg 1911» nicht, sondern sie wurde ihm «zugetragen». Reto Schorta, Drucker und Mit-
inhaber einer Werbeagentur in Cham, stellte die Verbindung zwischen dem jetzigen Besitzer der Druckmaschine, Christoff Heller aus Cham, und Vereins­präsident Roger Tschopp her. Heller kaufte die Maschine vor elf Jahren, liess sie aufstellen und druckte mit verschiedenen Künstlern. Im vergangenen Jahr konnte sie nicht mehr an ihrem Standort bleiben und es mussten neue Möglichkeiten gesucht werden – so wird sie bald in Hochdorf stehen.

Die Druckmaschine hat eine wechselvolle Besitzergeschichte hinter sich. Gebaut wurde sie von der Firma Klein, Forst & Bohn aus Johannisberg in der Nähe von Dresden. Das Besondere ist das Format, in dem sie drucken kann. «Es können Lithografien in der Grösse von 100 mal 70 Zentimeter entstehen», so Yvonne Camenzind. Ideal also für Schweizer Werbegrafik respektive Plakate. Selbstverständlich lassen sich auch kleinere Formate drucken. Eine weitere Besonderheit: Um ein Papier zu bedrucken, braucht es drei Personen: den Drucker, der sich um die Farben kümmert, eine Person, die das Papier in die Maschine hineingibt und eine, die es herausnimmt. Das Format spielt dabei keine Rolle. Und – bei dieser «Johannisberg 1911» handelt es sich nicht um irgendeine Steindruckpresse, auf ihr wurden Lithografien berühmter Künstler und Grafiker wie Alberto Giacometti, Oskar Kokoschka, Alois Carigiet, Hans Erni und Marc Chagall gedruckt.

Crowdfunding für Transport und Umbau 
Für die Druckmaschine entrichtet der Verein Weiss- und Schwarzkunst dem Besitzer einen symbolischen Beitrag. Für den Umbau der Räumlichkeiten, den Transport sowie den Aufbau der Maschine werden gemäss Yvonne Camenzind Kosten von rund 80 000 Franken veranschlagt. «Wir versuchen einen Teil der Kosten via Spenden und Gönnerbeiträgen hereinzuholen. Wir wenden uns an Kunstschaffende, deren Mäzene sowie an Stiftungen.» Via Crowdfunding (www.lokalhelden.ch/druckatelier) möchte der Verein 24 000 Franken generieren. «Wir wollen nichts vergolden. Das Wichtigste ist, dass die ‹Johannisberg 1911› bald aufgebaut und in Betrieb genommen werden kann. Wenn es sein muss, können wir einige Umbauarbeiten auch erst später verwirklichen.»

von Manuela Mezzetta

Mehr Infos: www.weissundschwarzkunst.ch (Link: Druckteam und Atelier Johannisberg 1911)
Crowdfunding: www.lokalhelden.ch/druckatelier

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