Blasmusik und Alpenklänge

Das Waldhorn und das Alphorn: Zwei Instrumente, zwei Klänge, zwei Bewunderer. Der 13-jährige Matias Vogel aus Baldegg und sein Musiklehrer Christian Schweizer erzählen, was sie an den Blechblasmusikinstrumenten begeistern.

Matias Vogel spielt während seiner Musikstunde das Waldhorn. Fotos Milena Stadelmann
Milena Stadelmann

Vor sechs Jahren lernte Matias Vogel an einem Instrumentenparcours in Hitzkirch das Waldhorn kennen. «Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich das Instrument ausprobiert habe», sagt der 13-Jährige aus Baldegg. Einen Ton habe er zwar nicht sofort rausbekommen, «erst etwa beim fünften Mal.» Doch die Faszination für das Instrument ist seither ungebrochen. Der Sekschüler spielt auch noch Schlagzeug. Er mag die Abwechslung zwischen den beiden Instrumenten. Beim Waldhorn hat es Matias insbesondere der Ton angetan. «Ausserdem sieht es speziell aus – wie ein eingerolltes Alphorn.» 

Ein solches hat sein Instrumentallehrer Christian Schweizer an diesem Donnerstag Ende Oktober in die Musikstunde mitgenommen. Der 38-Jährige unterrichtet an den Musikschulen Hochdorf und Hitzkirch Alp­horn und Waldhorn. Neben seiner Anstellung als Musiklehrer, ist er als Dirigent tätig und spielt die Instrumente an verschiedenen Anlässen und in unterschiedlichen Formationen. Matias darf das Alpeninstrument heute zum ersten Mal ausprobieren. Darauf freut er sich. Doch zuerst: der Waldhorn-Unterricht.

Vielseitige Spielmöglichkeiten
Der Sekschüler wärmt sich auf dem Instrument ein. Schweizer gibt ihm ein paar Anweisungen, spielt ihm Tonfolgen vor – Matias spielt sie nach. Die Klänge des Waldhorns ertönen im Musikzimmer des Schulhaus Sagen in Hochdorf. 

Das Waldhorn faszinierte Christian Schweizer bereits als Kind.

Wie bei seinem Schüler, waren es für Schweizer die «weichen, warmen Klangfarben» des Instruments, die ihn als kleiner Junge von dem Instrument überzeugten. «Mein Trompetenlehrer drückte mir damals für ein Projekt ein Waldhorn in die Finger. Danach wollte ich es nicht mehr aus der Hand geben», erinnert er sich. Vom Prinzip sei die Trompete ähnlich aufgebaut wie das Waldhorn. «Das Instrument ist aber länger und hat ein kleineres Mundstück.» Deshalb spiele man in einer anderen Region der Naturtonreihe. Die Ventile werden beim Waldhorn nicht wie bei der Trompete mit rechts, sondern mit links gedrückt. Mit der rechten Hand kann der Ton zusätzlich durch Bewegungen im Becher verändert werden. «Mit dem Instrument kann man Schmettern oder ganz leise spielen. Es stehen mehr Nuancen zur Verfügung, als bei anderen Instrumenten.» 

Die Spielmöglichkeiten sind gemäss Schweizer vielseitig: «Von Barock bis Modern.» Er selbst spielt auf dem Instrument viel zeitgenössische, aber auch klassische Musik. Sein Lieblingskomponist ist Dmitri Schostakowitsch. «Er hat im 20. Jahrhundert sehr schöne, russisch angehauchte Orchesterstücke geschrieben.» Matias spielt zurzeit am liebsten das Stück «Wilder Reiter» von Robert Schumann.  

Ein weiterer Vorteil des Waldhorns? Es kann in verschiedenen Orchestern und Formationen gespielt werden. Schweizer: «Die Kinder können schon vom 2. Jahr an in der Jugendmusik mitspielen, später dann auch in einem Blas- oder Symphonieorchester, einer Big Band oder Jazz Band.» Auch Matias spielt regelmässig in verschiedenen Formationen, wie dem Hornensemble oder der Jugendmusik Hochdorf, wo er zurzeit allerdings aus schulischen Gründen pausiert.

Vom Naturhorn zum Waldhorn
Das Waldhorn sei in den letzten 15 Jahren populärer geworden, sagt Schweizer. «Zuvor wusste kaum jemand, was das ist.» Zurzeit lernen in Hochdorf fünf Schülerinnen und Schüler Waldhorn – in Hitzkirch sind es 15. Ob sich die Corona-Pandemie negativ auf die Anmeldezahlen ausgewirkt hat, kann Schweizer nicht sagen. «Die Zahlen schwanken immer wieder. Die Schwierigkeit bestand aber sicher darin, neuen Kindern das Instrument zu präsentieren.» Der Grund: Die Instrumentenvorstellungen fielen aus.

Die Geschichte des Waldhorns geht weit zurück. Der erste kultische Gebrauch von Naturhörnern ist auf die Jahre 1500 bis 2000 vor Christus zurückzuführen. Später dienten sie unter anderem Nachtwächtern als Signalinstrumente, ein Vorreiter des Waldhorns wurde bei der Jagd eingesetzt. Aus den Naturhörnern entwickelten sich mit der Zeit Hörner aus Holz – das Alphorn entstand – und später auch solche aus anderen Materialien. Durch die Erfindung des Stopfhorns im 18. Jahrhundert wurde es möglich, auf dem Horn, mit halb oder ganz gestopften Tönen, eine chromatische Tonleiter zu spielen. Mit der Erfindung der Ventile zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Klangfarben des Instruments weiter. Heute kann auf dem Waldhorn die chromatische Tonleiter über vier Oktaven gespielt werden.

Erfolgreiche Musikstunde
Der Musikunterricht von Matias neigt sich dem Ende zu. Mit seinem Instrumentallehrer geht er noch das letzte Stück auf dem Waldhorn durch. «Das darfst du auf die nächste Stunde weiter üben», sagt Schweizer. Der grosse Moment ist gekommen. Der Sekschüler darf gleich das Alphorn ausprobieren. 

Die Töne des Alphorns klingen durch das Musikzimmer – Matias Vogel spielt das Instrument zum ersten Mal.

«Das Instrument in den Bergen oder draussen zu spielen, ist immer wieder ein spezielles Erlebnis», sagt der Musiklehrer. Das Instrument habe durch die Corona-Pandemie einen Boom erlebt. «Die Menschen hatten Zeit etwas Neues auszuprobieren.» Das finde er sehr schön: Schliesslich sei es wichtig, dass die traditionellen Instrumente erhalten bleiben. Reizvoll seien ausserdem die Spieltechniken, die über das Tradtionelle hinausgehen, «das Instrument kann auch experimentell gespielt werden, beispielsweise in Richtung Jazz.»

Der 13-Jährige nimmt das Alphorn in die Hand – macht sich bereit um es zu spielen. Wird er gleich auf Anhieb einen Ton rausbringen? Geschafft. Die Klänge des Alphorns erklingen. Matias schmunzelt.

von Milena Stadelmann

Vergessene Klänge

Etwa die Hälfte aller Anmeldungen an den Seetaler Musikschulen gehen auf die Instrumente Klavier, Gitarre und Schlagzeug zurück. Insbesondere Blasmusikinstrumente verlieren an Beliebtheit. Über den Trend berichtete diese Zeitung Anfang September. In der Serie «Vergessene Klänge» stellt der «Seetaler Bote» Instrumente vor, die weniger bekannt sind oder solche, die bei der Wahl nach einem Musikinstrument drohen in Vergessenheit zu geraten. Bereits vorgestellt wurden in den letzten zwei Wochen die Harfe und das Fagott. mst

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