«Die Oboe ist ein spezielles Instrument»

Ihr grosser Bruder ist das Fagott, sie ähnelt der Klarinette. Und doch habe die Oboe ihren ganz eigenen «speziellen Klang», sagt Musiklehrer Kazuo Watanabe, der in Rain unterrichtet.

Kazuo Watanabe spielt in der Musikstunde die Oboe. Foto Milena Stadelmann
Milena Stadelmann

Der Oboe-Unterricht hat begonnen. An diesem Mittwoch Ende Oktober unterrichtet Kazuo Watanabe nicht in Rain, sondern an der Musikschule Michelsamt in Beromünster. Valentina Fluri aus Schwarzenbach bläst mit viel Energie in das Mundstück der Oboe. Eine Melodie ertönt: Die 11-Jährige übt mit ihrem Musiklehrer das Stück «Schwanensee». Die ersten Takte sind gespielt, bevor es weitergeht, sagt Watanabe: «Augen zu.» Valentina kennt das Spiel, kommt der Anweisung sofort nach. «Kannst du mir sagen, wer das Lied komponiert hat, Valentina?» Die 5.-Klässlerin ist sich unsicher. Watanabe hilft nach: «Tschaikowski. Und weisst du aus welchem Land er kommt?» In der nächsten Musikstunde wird Valentina die Antwort kennen. «Ein wenig Musiktheorie ist sehr wichtig», erklärt ihr der Oboe-Lehrer mit Akzent.

Watanabe wuchs in Japan auf. Der 54-Jährige kommt aus einer musikalischen Familie. Schon früh lernte er die Klarinette und die Querflöte. Das Interesse an den Instrumenten schwand, als er per Zufall ein Konzert mit einer Oboe im Fernsehen sah. Damals dachte er sich: «Wow, das Instrument ist super. Das will ich spielen.» Gesagt, getan. Da sein Onkel in der Schweiz wohnte, wanderte Watanabe 1993 aus und studierte darauf an der Hochschule Luzern die Oboe. Heute leitet der Luzerner die Jugendformationen in Sursee und in Egerkingen (SO). Nebenbei unterrichtet er die Oboe an vier Musikschulen, darunter an der MS Rain. Zudem ist Watanabe ein gefragter Oboist. Er spielt bei verschiedenen Projekten und Anlässen mit. «An Weihnachtskonzerten, aber auch an Ostern oder Pfingsten ist die Oboe ein gefragtes Instrument», erzählt er.

Ähnlich und doch ganz anders
Was ist eigentlich eine Oboe? Viele würden das Instrument nicht kennen, sagt Watanabe. Er erkläre dann: Es ist ein Holzblasinstrument, ähnlich wie die Klarinette. Vielen gehe dann ein Licht auf. «Doch der Unterschied zwischen den Instrumenten ist riesig.» So ist die Klarinette grösser, aber leichter. Das Mundstück besteht aus einem einfachen Rohrblatt, die Oboe ist ein Doppelrohrblatt-Instrument – wie das Fagott. Der «Seetaler Bote» stellte Ende Oktober «den grossen Bruder» der Oboe im Rahmen dieser Serie vor.

Auch geschichtlich entwickelten sich die Klarinette und die Oboe unterschiedlich. «Die Klarinette ist ein klassisches Instrument, die Oboe ist viel älter», sagt Watanabe. Bereits vor 3500 Jahren gab es in Ägypten und Asien Instrumente, die der heutigen Oboe ähnelten. Damals bestand das Mundstück noch aus einem Schilfrohr, statt Klappen besass das Instrument wenige Grifflöcher. Seit dem Mittelalter wurde in Europa die Schalmei, ein Vorgänger der Oboe, gespielt. Aus diesem Instrument entwickelte sich im 15. Jahrhundert der Pommer mit den ersten Klappen. 200 Jahre später entstand die Oboe, wie sie heute im Orchester gespielt wird.

Im 18. Jahrhundert entwickelten sich weitere Formen des Instruments: Zum Beispiel die Oboe d'amore, die der Komponist Johann Sebastian Bach oft in seinen Kompositionen verwendete. 

Ausdrucksvoll und intensiv
«Die Oboe ist ein spezielles Instrument», sagt Watanabe. Er sage oft: Schüler, welche die Oboe lernen wollen, seien ebenfalls «etwas speziell – im positiven Sinne.» Sie hätten einen aussergewöhnlichen Geschmack, denn die Oboe habe einen ausdrucksvollen, intensiven Klang. «Ein paar sagen auch, das Instrument klinge zu dominant.» Doch genau das gefiel Valentina. Nicht abschrecken liess sie sich von einem Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde. 1989 führte das Buch die Oboe neben dem Horn als das schwierigste Instrument der Welt auf. Die Primarschülerin spielt die Oboe jetzt seit der zweiten Klasse. Zum ersten Mal in den Kontakt mit dem Instrument kam sie durch einen Instrumentenparcours. Die Querflöte wäre für sie damals auch infrage gekommen, doch die Oboe setzte sich durch. «Mir gefiel an dem Instrument, dass es nicht so fein ist.» 

Nach wie vor ist die Oboe ein unbekanntes Instrument. Watanabe hat zurzeit 24 Schülerinnen und Schüler – darunter drei Erwachsene. Vor ein paar Jahren seien es noch mehr gewesen», sagt Watanabe. Ob der Rückgang einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat, kann er nicht sagen. Er glaubt eher: «Die Interessen der Jungen verändern sich heute einfach.» Diese Entwicklung sei sehr schade, «aber man kann nichts dagegen machen.» 

Oboe-Schülerin Valentina Fluri. Foto: Milena Stadelmann

Weihnachtsstimmung im Oktober
Watanabe fasziniert an der Oboe auch die Vielseitigkeit. Mit dem Instrument können verschiedene Musikrichtungen gespielt werden: «Von barocken Liedern bis zu moderner Musik.» Valentina spielt zurzeit besonders gerne das Lied «Tonight» aus dem Musical «Westside Story». Und mit dem Dezember vor der Tür: Weihnachtslieder.

Damit geht der Unterricht weiter: «Was willst du als Nächstes spielen?», fragt Watanabe seine Schülerin. Valentina wählt «I wish you a merry Christmas» aus. Zuerst spielt die 5.-Klässlerin das Stück alleine, im nächsten Durchlauf setzt Watanabe mit der zweiten Stimme ein. Die Melodie erklingt – obwohl es erst Ende Okober ist, kommt im Musikzimmer Weihnachtsstimmung auf. 

von Milena Stadelmann

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