«Ja, ich möchte wieder zurück»

Nach dem Maturaabschluss verbrachte Antonia Estermann sechs Monate als Volontärin in Tansania. Dort hat sie sich im Rahmen der Organisation Voyage-Partage für Kinder eingesetzt. Jetzt ist die 19-Jährige nach Hohenrain zurückgekehrt.

Von den grünen Hügeln Afrikas retour. Der Hügelzug Erlosen entlang des Baldeggersees weckt Erinnerungen. Foto Daniel Schmuki
Daniel Schmuki

Antonia Estermann, Sie tragen ein buntes Tuch. Ist dieses eine Erinnerung an Ihre Zeit in Tansania?

Ja, es ist ein Stück Kitenge, ein farbig bedruckter Kleiderstoff, aus dem Blusen und Röcke gefertigt werden. Aufgrund seiner festen Beschaffenheit wird er auch als Tragetuch verwendet. Der Stoff ist in Tansania und generell in Ostafrika stark verbreitet.

Sie waren für ein Volontariat in der tansanischen Stadt Tabora. Was können Sie über diese Stadt und das Land Tansania berichten?

Tabora ist Hauptstadt der gleichnamigen Region. Sie hat keinen Meeresanschluss, sondern liegt im Binnenland. Die Stadt ist wenig entwickelt und entspricht nicht dem Bild, das man in der Regel von Tansania hat. Viele denken sofort an Safaris im Serengeti-Nationalpark, den Kilimandscharo und natürlich an die Insel Sansibar, die zu Tansania gehört. Es waren genau diese Bilder, die meine Mitmenschen vor Augen hatten, als ich erwähnte, dass ich in Tansania war. Das stört mich. Ich bin mit ganz anderen Eindrücken nach Hause gekommen.

Wie sind Sie auf diese Destination gekommen?

Es ging mir darum, Einblicke in eine andere Kultur zu erhalten und Erfahrungen zu sammeln. Bereits in meinem letzten Schuljahr vor der Matura überlegte ich mir, ein Zwischenjahr zu machen. Ich wollte einfach einmal von der Schweiz weg. Durch einen Volontariatsbericht über Rumänien stiess ich auf die Entsendeorganisation Voyage-Partage. Ich meldete mich für ein erstes Gespräch, durchlief eine Vorbereitung in Beromünster, St. Gallen und online. Den Kontinent und die Art des Einsatzes durfte ich wählen. Ich wollte nach Afrika und mich für Kinder engagieren.

Sie waren also an einer Schule?

Nicht ganz. Ich war am St. Ann's Children's Center für Halbwaisen im Einsatz. Dieses ist eine Art Kindertagesstätte und an ein Spital angegliedert, das von St.-Anna-Schwestern geführt wird.

Wo wohnten Sie während Ihres Einsatzes?

Ich hatte ein Zimmer oberhalb des Spitals. Als ich es zum ersten Mal betrat, staunte ich: Es war sehr schön, mit einem eigenen Bad und Ventilator.

Was waren Ihre Aufgaben im Children's Center?

Die Kinder kamen nach der Schule für das Mittagessen zu uns. Ich repetierte mit ihnen den Schulstoff und spielte mit ihnen.

Das heisst, die Kinder waren nicht hospitalisiert?

Richtig. Sie erhielten aber im Spital gratis Behandlungen. Ansonsten lebten sie zu Hause oder bei Verwandten. So genau weiss ich dies nicht, ich ging nie zu den Kindern nach Hause.

Sie halfen den Kindern bei der Repetition des Schulstoffes. Wie haben Sie sich verständigt?

Die Kinder, die ich betreute, sprachen noch kein Englisch. Die offizielle Sprache Tansanias ist Swahili. Eigentlich wollte ich mich in der Zeit zwischen Matura und Abreise sprachlich vorbereiten, aber die Zeit verging zu rasch. Daher hatte ich zu Beginn in Tabora Mühe. Dank der täglichen Beschäftigung mit den Kindern lernte ich jedoch rasch. Mein Swahili nutzen konnte ich dann vor allem im letzten Monat. Da war ich bereits nicht mehr am Children's Center.

Wo waren Sie?

Ich durfte Bekannte an unterschiedlichen Orten in Tansania besuchen. Unter anderem war ich in den Bergen unterwegs. Dort traf ich vereinzelt Spaziergänger oder Arbeiterinnen auf dem Feld. Sie hatten Freude, wenn man mit ihnen sprach. Einmal wurde ich mit drei Gurken beschenkt. Plötzlich war ich sehr selbstständig. Im Children's Center hatte ich wenig Kontakt zu Menschen ausserhalb des Projekts, da die Schwestern mich schützen wollten.

Sie lebten in einer Gemeinschaft mit christlichem Glauben. Wie wichtig war Ihnen dies?

In unseren Breitengraden ist vielen Menschen der Glaube nicht so wichtig, man spricht wenig darüber oder tritt sogar aus der Kirche aus. Ich selbst bezeichne mich schon als gläubig. In Tansania ist der Glaube sehr wichtig, nicht nur der christliche, es hat auch viele Muslime. Jugendliche wunderten sich, dass man bei uns kaum über den Glauben spricht.

Was bleibt Ihnen aus Ihrer Zeit in Tansania?

Ich wollte, dass mein Volontariat eine gute Erfahrung wird. Daher habe ich versucht, das Beste aus dem Moment zu machen. Vielleicht ein Beispiel hierzu: Jeden Sonntag ging ich mit einem Pfarrer in zwei Gottesdienste, obwohl ich nahezu kein Wort verstand. So sass ich einfach da und blickte um mich. So lebte ich voll im Moment.

Das Swahili bleibt Ihnen ebenfalls

Das stimmt. Zu Beginn fragte ich mich: Wieso soll ich eine Sprache lernen, die ich später kaum mehr brauchen kann? Französisch oder Englisch wären besser gewesen. Das sehe ich mittlerweile anders. Es muss nicht immer alles ein Ziel haben. Man kann auch einmal nur für sich alleine sein und den Moment geniessen.

Zurück in Hohenrain – haben Sie das Gefühl, Sie werden nach Tabora zurückkehren?

Ja, ich möchte wieder zurück. Es wäre sogar mein Traum, dort etwas aufzubauen. Es macht durchaus Spass, Swahili zu sprechen, aber natürlich nicht nur deshalb. Ich möchte irgendwann einmal mehr tun, als «nur» mit den Kindern zu spielen. Ich habe viele unterschiedliche Projekte gesehen und gestaunt, was damit alles erreicht werden kann. Aber ich habe auch gemerkt, wie schwierig es ist, etwas aufzubauen. Es benötigt bei weitem nicht nur Geld, sondern ebenso viel Wissen und Erfahrung. Bevor ich etwas überstürze, will ich meine Ausbildung in der Schweiz abschliessen.

Und was sind nun Ihre Pläne vorerst in der Schweiz?

Ab September werde ich an der Pädagogischen Hochschule Freiburg studieren – das ist definitiv entschieden. So kann ich mein Französisch vertiefen, was ich in Tansania nicht konnte. In dem Land sind Lehrerinnen sehr schlecht ausgebildet und bezahlt und haben bis zu 200 Schülerinnen und Schüler in der Klasse. In der Schweiz hingegen bieten sich mir als Primarlehrerin sehr gute Perspektiven.

Volontariat für junge Menschen

Mit dem Volontariatsprogramm von Voyage-Partage engagieren sich Menschen ab 18 Jahren in einem Projekt katholischer Ordensgemeinschaften in Osteuropa, Asien, Afrika oder Südamerika. Freiwillige teilen dort während vier bis zwölf Monaten Leben und Glauben mit der Gemeinschaft und der Bevölkerung. Die Dienstleistung von Voyage-Partage besteht darin, auf die Interessen und Fähigkeiten der Freiwilligen passende Einsatzmöglichkeiten zu finden und die Freiwilligen gut auf den Einsatz vorzubereiten, von Ferne den Einsatz und nach der Rückkehr die Nachbereitung zu begleiten. Voyage-Partage will jungen Menschen die Chance geben, sich mit Unbekanntem und zugleich mit sich selbst, der eigenen kulturellen und religiösen Identität auseinanderzusetzen. Zudem sollen in den Begegnungen Respekt und Vertrauen aufgebaut werden. pd/ds

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.