«Die Technik hat enormes Potenzial»

Walter Gut geht Ende dieses Schuljahrs in Pension. Der langjährige Rektor am Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung (BBZN) blickt auf viele schöne Begegnungen zurück. Der «Seetaler Bote» hat sich mit ihm über seine Pläne, Herausforderungen für die Ausbildung sowie die Technologisierung der Landwirtschaft unterhalten.

Daniel Schmuki

Herr Gut, Ende Juli gehen Sie in Pension. Sie sind dem BBZN Hohenrain seit 28 Jahren als Rektor verbunden. Welche besonderen Erlebnisse nehmen Sie aus dieser Zeit mit?
Speziell schön sind immer die Diplomfeiern, wenn erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen ins Berufsleben verabschiedet werden. So wiederum nächste Woche, wenn hier in Hohenrain die Lehrabschlussfeier der Agrarpraktikerinnen und Landwirtinnen stattfindet. Ich denke auch an die grös­seren Jubiläen, wie das 50-Jahre-Jubiläum an unserem Standort hier in Hohenrain vor vier Jahren. Das BBZN hat mir sehr viele Begegnungen mit interessanten Leuten aus unterschiedlichsten Fachbereichen ermöglicht. Nun ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um Adieu zu sagen.

Bleibt dem BBZN Ihr Wissen dennoch erhalten? Zum Beispiel als externer Dozent oder Berater?
Nein, es ist nicht gut, wenn der abtretende Chef weiterhin im Betrieb ist. Ich werde kleinere Aufgaben ausserhalb des BBZN wahrnehmen.

Bevor ein junger Mensch das Diplom erhält, wählt er eine Berufsausbildung. Was motiviert, die Laufbahn eines Landwirts einzuschlagen?
Der Beruf ist sehr vielfältig. Er beinhaltet viel Technisches, gleichzeitig hat er mit der Natur und mit Tieren zu tun. Oft wächst der Wunsch in der Familie, denn 80 Prozent unserer Lernenden leben auf einem Bauernhof. Seit 2005 hat ihre Anzahl um etwa ein Viertel zugenommen, der Frauenanteil wächst ebenfalls stark. Landwirtinnen und Landwirte sind auf dem Markt sehr gesucht. Dies nicht nur in ihrem Kerngebiet, sondern auch im Zuliefer- und Abnehmerbereich.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die landwirtschaftliche Berufsbildung?
Die Berufsbildung ist das Rückgrat der Wirtschaft. Daher ist der Fachkräftemangel in handwerklichen Berufen so bedeutungsvoll. Aktuell gibt es auch zu wenig Ausgebildete in der Milchwirtschaft, im Gartenbau und in der Hauswirtschaft. Die Wirtschaft braucht nicht nur Akademiker, sondern ebenso Handwerker, weshalb sich meines Erachtens die Entlöhnung zwischen ihnen angleichen sollte.

Der Klimawandel ist Tatsache. Welchen Einfluss hat er auf die BBZN-Ausbildungsgänge?
Wir nehmen ihn auf zwei Arten in die Ausbildung auf. Erstens ist Klimaschutz ein Thema, da sprechen wir beispielsweise von der Reduktion des Ausstosses von Kohlendioxid und vom Erhalt der Biodiversität. Zweitens geht es um die Klimaanpassung. So diskutieren wir neue Anbaumethoden und neue Züchtungen, die resilienter gegenüber Wetterextremen sind.

Können Sie dies näher erläutern?
In der Züchtung hat man grosse Fortschritte gemacht, gerade eben auch mit Resistenzen. Im Weinbau verbreiten sich PIWI-Sorten, also pilzwiderstandsfähige Trauben. Und der Obst-, Acker- und Getreidebau wird vermehrt mit resistenteren und resilienteren Sorten betrieben. Neue Züchtungsmethoden, ich denke an die Gen-Schere, im Fachjargon CRISPR/Cas bieten neue Möglichkeiten. Damit kann die herkömmliche Pflanzenzucht mit natürlicher Auslese und mit Kreuzung stark beschleunigt werden. Diese Technologie hat unglaubliches Potenzial. Stellen Sie sich vor, eine ertragsreiche Weizensorte wird mit einer solchen gemischt, die sehr resistent ist. Das würde sehr viel Sinn machen. Wichtig ist, dass nur Weizen mit Weizen kombiniert wird und nicht etwa Weizen mit Mais oder mit Gerste. Die Gesellschaft und die Landwirtschaft wird sich damit befassen müssen, ob solche Zuchttechniken zukünftig erlaubt werden sollen. Diese unterscheiden sich klar von der früheren Gentechnologie, die richtigerweise von den Konsumenten und der Landwirtschaft abgelehnt wurde.

Und wo hat die Technik während ihrer Berufsjahre weitere Spuren hinterlassen?
Generell hat die Digitalisierung dazu beigetragen, dass in der Landwirtschaft vieles präziser gemacht werden kann. So können Pflanzenschutzmittel oder auch Dünger gezielter eingesetzt werden. Es gibt die automatisierte Fütterung, Ablesemaschinen für Beeren oder Äpfel, erste Prototypen von Jät-Robotern. Auch die Tierüberwachung wird digital unterstützt: Um die Gesundheit einer Kuh festzustellen, kann man ihre Fress- und Wiederkautätigkeit, die Tätigkeit ihrer Mägen und ihre Bewegungstätigkeit messen.

Welche Vision haben Sie für die Seetaler Landwirtschaft im Jahre 2050?
Es entwickeln sich neue Möglichkeiten bei Spezialkulturen, das heisst Obst, Beeren und Gemüse. Hierfür haben wir ein mildes Klima und auch die für Spezialkulturen geeigneten kleineren Betriebsstrukturen. Acker- und Getreidebau beanspruchen demgegenüber viel Fläche. Spezialkulturen haben eine hohe Wertschöpfung pro Flächeneinheit, wie sie zum Beispiel der Getreideanbau nicht bieten kann. Die Digitalisierung und ihre Weiterentwicklung bei der Automatisation, Robotertechnik beim Melken, Füttern, Entmisten, Überwachen, neuen Erntetechniken bei Obst und Beeren, Drohnen, Pflanzenschutz et cetera werden die Landwirtschaft stark beeinflussen. Längerfristig sind die neuen Entwicklungen vergleichbar mit der Mechanisierungswelle vor über 50 Jahren. Damals wurde die Maschinenschule Hohenrain gebaut.

Sie sind ja nicht nur Agronom, sondern auch Pädagoge. Hat sich der Lehrerberuf während ihrer Berufszeit stark geändert?
Ja, aber eigentlich weniger, als man zuerst erwarten würde. Der Lehrer ist immer noch Fachexperte auf seinem Gebiet. Er beurteilt Lernende, begleitet sie und ist ihr Anwalt. Diese Funktionen gelten auch heute noch. Die Bedeutung der Wissensvermittlung ist jedoch zurückgegangen. Heute werden Handlungskompetenzen vermittelt: ‹Ist das ein gesundes Weizenfeld, falls nicht, was machst Du?› Man fokussiert viel mehr auf Handlungen und Lösungen. Wir haben übrigens gerade unser didaktisches Konzept überarbeitet.

Nun gehen Sie in rund einem Monat in Pension. Haben Sie bereits Pläne?
Ich reise gerne. Ich habe ein Jahr in Brasilien gearbeitet und werde dieses schöne Land wieder besuchen. Ich möchte meine mageren Sprachkenntnisse aufbessern, nicht nur in Portugiesisch, sondern auch in Französisch und Englisch. Und dann möchte ich wieder mehr mit dem Velo unterwegs sein. Auch werde ich meine beiden Mandate als Stiftungsrat weiterführen. Das eine bei fondssuisse, eine Organisation, die finanzielle Beiträge leistet bei Schäden durch unvorhersehbare Naturereignisse. Das andere bei alpinfra, die Berggemeinden beim Aufbau und der Pflege von Infrastruktur hilft.

Liegt Ihnen noch etwas am Herzen, das wir nicht angesprochen haben?
Ich durfte eine unglaublich gute Zusammenarbeit mit allen Branchen und Berufsverbänden pflegen. Die Berufsbildung lebt ja nicht nur von der Schule, sondern genauso von den Lehrbetrieben. Die Lernenden verbringen deutlich mehr Zeit im Betrieb als in der Schule. Daher ist es so wichtig, dass die Betriebe und die Schule gut zusammenarbeiten.

----------------------------------------------------

Zur Person: Walter Gut (65) ist gelernter Agronom und Pädagoge. Er trat 1986 als Lehrer in die damalige Landwirtschafts- und Maschinenschule (LBS) in Hohenrain ein. 1995 übernahm er die Direktion des LBBZ. Mit den Standorten Schüpfheim und Sursee wurde per 2008 das BBZN geschaffen und Walter Gut übernahm dessen Gesamtleitung. Walter Gut ist verheiratet und Vater dreier Kinder und zweifacher Grossvater. (pd)

Das BBZN: Das Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung (BBZN) ist ein kantonales Berufsbildungszentrum an drei Standorten und mit fünf Fachrichtungen: Hohenrain (Landwirtschaft), Schüpfheim (Landwirtschaft und Bäuerliche Hauswirtschaft) sowie Sursee (Gartenbau & Floristik, Hauswirtschaft und Milchwirtschaft). Am BBZN können 20 offizielle Abschlüsse erworben werden. Das Ausbildungsangebot basiert auf der Grundbildung, es können auch Weiterbildungskurse besucht oder Beratungsleistungen beansprucht werden. Bei der Beratung besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen, ebenso mit der staatlichen Forschungsanstalt Agroscope und der kantonalen Dienststelle Landwirtschaft und Wald (lawa). Das BBZN führt vor allem Demonstrationsversuche durch und begleitet Bauern beispielsweise im Generationenwechsel. Auch Arbeitskreise sind beliebt, die meist auf den Bauernhöfen den Wissenstransfer zwischen den Landwirten ermöglichen und vom BBZN moderiert werden. (pd)

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.