Bereit, Leben zu retten
In der Badi am Baldeggersee herrscht an diesem Frühlingstag Ende April Ferienstimmung. Die Leute geniessen die wärmenden Sonnenstrahlen, sitzen an den Tischen mit einem «Kafi» oder einem Bier, aus den Lautsprechern klingen Pophits und einige wenige liegen schon leicht bekleidet auf den Liegestühlen. Nur zum Schwimmen ist es noch zu kühl, auch die roten Algen im See wirken nicht gerade einladend. Melanie Willimann, die frischgebackene Präsidentin der Sektion Baldeggersee, sitzt auf einem Stuhl direkt am Ufer und erzählt von ihren ehrenamtlichen Aufgaben für die SLRG (Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft). Die Organisation bildet Rettungsschwimmer aus. Die 29-jährige, in Hohenrain aufgewachsene Seetalerin, ist im März an der Online-GV in ihr neues Amt gewählt worden. «Ich freue mich auf diese Herausforderung und bin topmotiviert», sagt sie mit einem Lächeln. Grosse «Baustellen» müsse sie nicht bewältigen. «Unsere Sektion ist in einem guten Zustand und wir haben viele Mitglieder, die sich aktiv für uns engagieren.»
Von der Jugendverantwortlichen zur Präsidentin
Willimann ist bei der Sektion jedoch kein «unbeschriebenes Blatt». Schon seit fünfeinhalb Jahren ist sie im Vorstand, bisher betreute sie als Jugendverantwortliche den Nachwuchs. «Nun habe ich mich entschieden, noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Ich war zuvor schon die Anlaufstelle und Ansprechperson für die Kids, nun bin ich das als Präsidentin einfach von allen.» Sie wird die Sektion führen, nach aussen repräsentieren und Sitzungen und Anlässe organisieren.
Willimann arbeitet beruflich in einem Vermessungs- und Ingenieurunternehmen in Dagmersellen im Bereich Geoinformatik und Strassenunterhalt. Aktuell absolviert sie eine Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule in Luzern, die sie voraussichtlich im Sommer 2022 abschliessen wird. «Ich möchte in Zukunft nicht ausschliesslich im Büro arbeiten, sondern gerne dazu auch noch Kanti-Schüler in den Fächern Geografie und Mathematik unterrichten.»
Sie lebt mit ihrem Freund in Hochdorf. «Das Hochzeitsfest steht bald an, aber wegen Corona müssen wir das auf nächstes Jahr verschieben.» Job, Beziehung und ihren Einsatz für die Sektion unter einen Hut zu bringen, fiel ihr bisher nicht schwer. Stressen lasse sie sich nie. «Mit einer guten Planung ist alles möglich. Sicherlich wird als Präsidentin der Zeitaufwand etwas grösser sein als vorher, ich rechne mit etwa zwei bis drei Stunden pro Woche.»
Die Zusammenarbeit mit dem Vorstand erlebte sie schon bisher als sehr angenehm. «Wir sind ein eingespieltes Team und privat miteinander befreundet.» So unternehmen die Vereinsmitglieder Ausflüge wie etwa «Stand-Up-Paddeln» auf dem Vierwaldstättersee oder zur Surfwelle in der «Mall of Switzerland» in Ebikon. Aufgrund der Corona-Massnahmen mussten sie viele Sitzungen per Video durchführen, das gesellige Beisammensein fiel weg. «Nach den Besprechungen pflegen wir gerne die Kollegialität und lassen den Abend ausklingen. Das vermissen wir schon.» Willimann hofft daher darauf, dass bald wieder Normalität einkehrt.
Ihr Vorgänger, Remo Binder, trat aus Zeitgründen zurück, ist aber weiterhin als Trainingsleiter für die SLRG-Sektion Baldeggersee tätig. Er war es, der Willimann als neue Präsidentin vorgeschlagen hat. «Melanie ist die beste Nachfolgerin, die ich mir vorstellen kann. Sie ist engagiert, zuverlässig und arbeitet strukturiert. Sie behält die Ruhe, auch wenn es mal hektisch ist, und sie kann gut zuhören.» Neben ihrem Präsidentenamt leistet Willimann noch mehr für den Verein. Sie hat sich zur Leiterin ausbilden lassen und zeigt den Teilnehmenden in einem Kurs übungshalber, wie man Menschen aus dem Wasser rettet und sie dann wiederbelebt. «Das umfasst Massnahmen wie Herzmassage, richtige Lagerung oder die Anwendung eines Defibrillators.» Diese Kurse leitet sie regelmässig von April bis November; sie dauern jeweils drei bis neun Stunden, entweder ganztags oder auf zwei halbe Tage aufgeteilt. Die Kurse finden im Hallenbad Hitzkirch oder im Seebad Baldegg statt und bedeuten Willimann viel. «Ich finde es sinnvoll und wichtig, den Leuten zu zeigen, wie sie Leben retten können.»
Noch keinen Notfall
Bisher musste sie ihr Lebensretter-Können noch nie praktisch anwenden – mit anderen Worten, sie erlebte noch keinen Notfall, bei dem sie eingreifen musste. «Zum Glück ist das bisher nie passiert. Aber wenn, wäre ich bereit und wüsste, wie ich helfen kann.»
Ausserdem leitet sie mit anderen Helfern Kinderschwimmkurse mit jeweils 120 bis 150 Teilnehmenden. «Diese Aufgabe macht mir Freude, es ist schön, den Kindern etwas beibringen zu dürfen.» Aufgrund der Pandemie-Massnahmen mussten diese 2020 jedoch nach einem Tag abgebrochen und für dieses Jahr ganz abgesagt werden.
Plausch und Ernst
Alle zwei Jahre nimmt die Sektion Baldeggersee ausserdem an der Jugend-Schweizermeisterschaft im Rettungsschwimmen teil. Da stehen verschiedene Team-Wettkämpfe auf dem Programm, wie möglichst schnell und korrekt eine Puppe abschleppen, unter Hindernissen durchtauchen oder einen Rettungsball präzise einem «Opfer» zuwerfen. «Für uns gehts da aber mehr ums Mitmachen als ums gewinnen, wir sind kein Wettkampfverein.» Andere Sektionen seien da ehrgeiziger und trainierten das ganze Jahr dafür, um erfolgreich abzuschneiden. «Wir haben da immer nur mässigen Erfolg, aber immerhin haben wir Spass.»
Ein beliebter Anlass ist im Sommer jeweils das SLRG-Fest «Plauschschwimmen», ein von der Sektion Baldeggersee organisierter Wettkampf mit anschlies-
sendem Grillfest, wo alle Seetalerinnen und Seetaler mitmachen können. Auch die monatlichen Seeüberquerungen sind populär, dabei schwimmen die Teilnehmenden über den Baldeggersee auf die Nunwiler Seite. «Wir begleiten die Schwimmenden mit Rettungsbooten, falls jemand zu müde werden sollte.» Früher hätten sie den See sogar längs durchschwommen, von Gelfingen bis Baldegg. Auch Willimann war schon dabei: «Das ist für mich persönlich die weiteste Strecke, die ich in meinem Leben gemeistert habe.»
Die Kernaufgabe des SLRG ist aber ernsthafter Natur – Leben retten und die Ausbildung von Rettungsschwimmern stehen im Zentrum. Der SLRG ist eine nationale Organisation mit vielen regionalen Sektionen wie eben «Bald-
eggersee» – dort sind aktuell 100 angemeldet dabei, davon sind rund 60 aktive Schwimmer sowie Leiterinnen; die Trainings finden wöchentlich statt. Für die angehenden Rettungsschwimmer werden verschiedene Kursmodule angeboten, für Anfänger und Fortgeschrittene – Rettung am Pool oder Rettung im See; dazu auch Wiederbelebung. «Bis jemand selbständig eine Kindergruppe beim Baden betreuen kann, muss er oder sie bis zu zweieinhalb Kurstage absolvieren.» Pro Jahr bilden die Baldegger 120 bis 200 Interessierte aus.
Sie liebt das Wasser
Zur SLRG kam Melanie Willimann schon als Jugendliche. «Ich war damals beim Blauring. Und um mit den Kindern ans Wasser gehen zu können, benötigten wir Rettungsschwimmerinnen. Also meldete ich mich für die Kurse an.» Schwimmen war schon früh eine grosse Leidenschaft von ihr. «Ich liebe es, im Wasser zu sein. Vielleicht, weil ich in der Nähe von zwei schönen Seen aufgewachsen bin.» Willimann hatte nie sportliche Ambitionen, als Schwimmerin Karriere zu machen. Rettungsschwimmen fand sie ausserdem spannender als «nur» Schwimmen. «Ich fand den Gedanken toll, Sport zu treiben und gleichzeitig Menschen zu helfen.» Rettungseinsätze liegen aus-serdem in der Familie. Ihr Freund ist in der Feuerwehr und ihr Vater leitet eine Firma im Bereich Brandschutz.
Dass sie bei der SLRG mithelfen will, war für Willimann schon früh klar. Dies ist in einer Zeit, in der es scheint, dass den Jungen Gemeinschaftssinn und Solidarität nicht mehr so wichtig sind, nicht selbstverständlich. «Ich denke aber, auf dem Land ist der Einsatz für die Gemeinschaft oder einen Verein noch stärker verwurzelt als in der Stadt.»
Willimann ist erfreut darüber, dass sich stets genug Helfer und Freiwillige finden, die sich in der Sektion engagieren. «Wir belohnen diese Leute meistens mit Essen», sagt sie schmunzelnd – etwa mit einer Einladung ins Restaurant oder zum «Brätle». SLRG-Präsidentin will sie lange bleiben. «Ich habe nicht vor, schon bald wieder aufzuhören. Ich sehe das als langfristige Aufgabe. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir weiterhin harmonisch zusammenarbeiten und dass wir möglichst unfallfrei bleiben.»
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