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Kanton

«Der Heilige Geist belebt unsere Kirche»

Mit froher und wohlklingender Stimme berichtet Bischofsvikar Hans-peter Wasmer der Bistumsregion St. Viktor engagiert von seinem Werdegang, seiner anspruchsvollen Aufgabe und den Herausforderungen der katholischen Kirche im Wandel der Zeit.

Sie sind in Wohlen aufgewachsen. Sind Sie noch heute mit dem Freiamt verbunden?

Da meine Mutter nach dem Tod meines Vaters nach Cham gezügelt ist, bin ich nicht mehr oft im Freiamt anzutreffen. Stark verbunden bin ich aber noch mit dem St.-Nikolaus-Brauchtum der Jungwacht in Wohlen.    

 

Wurden Sie schon in Ihren Kinder- und Jugendjahren für kirchliche Themen sensibilisiert?

Sicher hatten der Religionsunterricht und die Jungwacht einen bestimmten Einfluss darauf. Bei der Firmung gefiel es mir sehr, eine Fürbitte vortragen zu dürfen. Später war ich dann als junger Erwachsener als Lektor tätig.

 

Weshalb begannen Sie nach Ihrer kaufmännischen Banklehre mit katechetischen und theologischen Ausbildungen?

In der Jungwachtzeit schätzte ich die Aktivitäten, das frohe Beisammensein und all die Diskussionen über Gott und die Welt. So stand auch einmal die Frage im Raum, ob man Priester auch ohne Maturaabschluss werden könnte. Unser Präses wies uns auf den dritten Bildungsweg hin. Ausschlaggebend war für mich aber das fünfzigjährige Jubiläum der Jungwacht Wohlen in einem Zirkuszelt. Unser Präses setzte sich für uns Junge so mit Herzblut ein, dass er mich inspirierte, in Zukunft ebenso für die Menschen da zu sein. Bald darauf nahm ich die Ausbildung zum Katecheten an die Hand, wechselte aber aus Vertiefungsgründen nach einem Jahr an die Theologische Fakultät in Luzern.    

 

Spielte bei Ihrer beruflichen Umorientierung Gotthelfs Erzählung «Geld und Geist» auch eine Rolle?

(Lacht) Ich hatte sehr gerne in der Bank gearbeitet. Aber der Sinn des Lebens war für mich zunehmend ein anderer. Den Menschen etwas mehr geben zu können, als ihr Geld zu verwalten, war mein grosser Wunsch. Insofern hat Gotthelfs Werk indirekt eine Rolle gespielt.

 

Wie prägte Sie Ihre theologische Ausbildung in Luzern und Wien?

Während meiner Ausbildung in Luzern war ich in der Regionalleitung von Jungwacht & Blauring tätig. Der Schwerpunkt meiner Interessen lag nach wie vor in der Jugendarbeit. Nach dem Wechsel nach Wien war es anders: Die grosse örtliche Distanz liess mehr Fragen zu meiner Zukunft aufkommen. Nie wollte ich später in einem Pfarrhaus allein leben. Deshalb verbrachte ich mein Wien-Jahr in der «Benediktinerabtei zu den Schotten» mitten im Stadtzentrum. 1993 trat ich als Novize ins Benediktinerkloster Mariastein ein und wechselte ein Jahr darauf in den Dienst des Bistums, um Seelsorger vor Ort in Reiden zu werden.

 

Welche wichtigen Worte wurden Ihnen 1996 bei der Priesterweihe von Bischof Kurt Koch mit auf den Weg gegeben?

Für den neu gewählten Bischof Kurt Koch war es seine erste Weihe. Auf unseren Wunsch hin wurden an der Feier gleichzeitig Laien in den Dienst genommen und Priester geweiht. Die Worte des Bischofs an mich: «Empfange die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers. Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes», sind in mir tief verwurzelt. Sie sind für mich Leitlinien in der Nachfolge Christi und befreien mich auch von der Selbstbezogenheit.      

 

Von 2004 bis 2018 waren Sie als Pfarrer zuerst in Meggen und darauf im Pastoralraum «Meggerwald Pfarreien» tätig. Weshalb gehören diese Jahre zu den schönsten und erfüllendsten Ihres Lebens?

Das sage ich immer wieder und es wird auch in Zukunft so bleiben. In Meggen und Umgebung konnte ich zwölf Jahre so leben und wirken, wie ich mir das Priestersein vorgestellt hatte: mit den Menschen in schweren und schönen Zeiten gemeinsam mit ihnen auf dem Weg zu sein. Im Alltag für Jung und Alt Seelsorger zu sein, war für mich sehr erfüllend. (Schmunzelt) So liess ich es mir nicht nehmen, auch regelmässig an Gemeindeversammlungen teilzunehmen. Und für die Jugend setzte ich mich besonders ein, vor allem als Jungwachtpräses.

 

Bischof Felix Gmür musste Sie inständig bitten, Bischofsvikar zu werden. Weshalb taten Sie sich mit dieser Berufung so schwer?

Ich habe eigentlich für die Pfarrei gelebt und wollte in einer solchen weiterwirken. Als damaliger Dekan und im Priesterrat erfuhr ich, was auf der Diöze-sanebene am Laufen war. So blockte ich erste Anfragen ab, bis mich Bischof Felix nach einer Sitzung in einem Gespräch dazu bat. Ich willigte ein, da ich ja bei meiner Priesterweihe Bischof Kurt Koch und seinen Nachfolgern Gehorsam versprochen hatte. Man kann nicht nur von der Bistumsleitung einen guten Job erwarten und selbst nichts beitragen, wenn man angefragt wird, ist meine Devise.   

 

Sie bringen als Bischofsvikar die Anliegen der Bistumsregion St. Viktor (Luzern, Thurgau, Schaffhausen und Zug) Bischof Felix Gmür vor. Welche Themen stehen aktuell besonders im Raum?

Die Themensetzungen variieren von Kanton zu Kanton. Sie reichen von der Ausbildung von Katechetinnen im Kanton Thurgau zu den Diskussionen im Kanton Zug rund um die freiwillige Kirchensteuer bis zum Mangel des Pastoralpersonals in allen Kantonen. Mit den Grundanliegen der Luzerner für eine geschwisterliche Kirche bin ich einverstanden. Das heisst, dass die Frauen, wo immer möglich, in der Kirche gleichberechtigt sind. Das haben wir in unserem Bistum bis zur Stufe der Diözesankurie verwirklicht. Weitere Schritte verhindert das kirchliche Gesetz. Eine Änderung der Weihezulassung kann nur der Papst oder ein Konzil vornehmen.

 

Wie gestaltet sich für Sie als Bischofsvikar die Zusammenarbeit mit den Seelsorgenden vor Ort?

Ich bin mit den Pastoralleiterinnen  und -leitern direkt in Kontakt. Viermal im Jahr nehme ich auch an Konferenzen der Pastoralleitenden teil und führe regelmässig Mitarbeitergespräche. Wechsel, Probleme und Fragen werden auch mit den Kirchenräten besprochen. Im Turnus von vier bis sechs Jahren besucht der Bischof mit uns auch alle Patoralräume. Als Firmenspender habe ich zudem die wertvolle Möglichkeit, Seelsorgende vor Ort zu treffen.

 

Warum dauert der Zusammenschluss der 100 Luzerner Pfarreien zu 24 Pastoralräumen deutlich länger als ursprünglich vorgesehen?

In der Kirche ist man hie und da nicht nur in Rom, sondern auch an der Basis resistent gegen Neuerungen. Sicher ist die Angst verständlich, Teile der Identität zu verlieren. Da wir in der Schweiz das duale System mit der Kirchgemeinde einerseits und der Pastoral andererseits kennen, kann der Bischof nicht einfach Fakten schaffen. Der dazu nötige Entwicklungsprozess braucht Zeit zum Wachsen. Grundsätzlich ermöglichen Pastoralräume eine professionellere Arbeit, z. B. bei der Jugend oder dem Alter. Und man kann die Mitarbeitenden nach ihren Stärken besser einsetzen.

 

Wie gelingt es, den Menschen die Angst zu nehmen, dass sie ihre Identität und den persönlichen Bezug zu ihrer ehemaligen selbstständigen Pfarrei verlieren würden?

Es hat sich gezeigt, dass die Seelsorge vor Ort bleibt und gleichzeitig vielfältiger wird. Abwechslungsreichere Predigten haben ja auch ihre Vorteile. Und zudem ist es einfacher für Pastoralräume kirchliches Personal zu finden. Das Konzept sieht auch eine ausgewogene Seelsorge mit Schwerpunkten vor Ort vor und kann jeweils nach einer gewissen Zeit angepasst werden.

 

Vor wenigen Wochen errichtete Bischof Felix Gmür den «Pastoralraum Hitzkirchertal». Das tönt in manchen Ohren eher verwaltungsmässig und technokratisch. Was können sich die Gläubigen der verschiedenen Pfarreien davon erhoffen?

Dass die Seelsorge vor Ort auch dann gewährleistet ist, wenn jemand krankheitsbedingt ausfällt. Gerade in der Pandemiezeit hat sich diese regionale Zusammenarbeit sehr bewährt. Neben der Erfüllung der Grundbedürfnisse wird auch ein grösseres Füreinander möglich.

 

Wie viel Freiraum erlaubt das Bistum jedem Pastoralraum?

Alle Pastoralräume sind relativ frei, wo sie ihre Schwerpunkte setzen. Vom Konzept her steht aber die Diakonie besonders im Fokus. Häufig wurde früher zu stark nur auf die Liturgie gesetzt. Wir versuchen Hilfestellungen für die Weiterentwicklung zu geben. Einschränkungen gibt es eigentlich nur durch die kirchenrechtlichen Regeln.   

 

Von Jahr zu Jahr fehlen immer mehr Priester, um flächendeckend auch in der Bistumsregion St. Viktor Eucharistie zu feiern. Wie begegnen Sie dem grossen Priestermangel?

Auf zwei Arten: Einerseits kehrt sich die Missionierung mit Priestern aus Afrika und Indien um (früher missionierten dort Europäer) und andererseits verstärken wir insbesondere die Werbung im sozialen Medienbereich für kirchliche Berufe. Die grosse Schwierigkeit dabei ist aber, dass in den Schweizer Medien allzu oft nur Negatives über die katholische Kirche berichtet wird. Extrem wichtig ist auch, dass wir die ausländischen Priester mit ganz anderen kulturellen Hintergründen und sprachlichen Defiziten bei Ihrer Arbeit begleiten.

 

Papst Franziskus hielt unlängst in einem Positionspapier fest, dass ausschliesslich geweihte Priester einer Pfarrei vorstehen sollen. Wie stehen Sie zu diesen Äusserungen des Pontifex Maximus als Mann der Praxis?

Kirchenrechtlich ist es noch so. In der Praxis können wir das aber gar nicht umsetzen, da wir zu wenig Priester haben. De jure wird jede Pfarrei von einem Priester geleitet, zum Teil aber in einer Co-Leitung, wie sie vom Kirchenrecht auch vorgesehen ist. Viele unserer Pastoralraumleiterinnen und -leiter machen eine hervorragende Arbeit, die ich auf keinen Fall missen möchte. Trotz den Einschränkungen versuchen sie loyal das Beste daraus zu machen. Das verdient unsere Wertschätzung!

 

Wie wichtig ist für Sie die Mitarbeit der Frauen in einer lebendigen Kirche?

Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als die Frauen bereits das Stimm- und Wahlrecht hatten. Für mich ist die Mitarbeit der Frauen (auch in Leitungsfunktionen) im kirchlichen Dienst selbstverständlich. Bei unseren Entscheiden sind wir aber an die Weltkirche gebunden, die noch Zeit braucht, um in einem Konzil weiterführende Beschlüsse zu fassen. Vielleicht wird man dabei auch zum Schluss kommen, je nach Weltgegend, abweichende Regeln haben zu dürfen.

 

Das Pfingstfest ist nach 50 Tagen der feierliche Abschluss der Osterzeit. Welche Bedeutung messen Sie der Entsendung des Heiligen Geistes zu?

Der Heilige Geist belebt unsere Kirche, bringt sie vorwärts und soll in uns spürbar sein. Aber ich halte es so, wie es Kardinal Kurt Koch immer wieder schalkhaft in seinen Vorlesungen gesagt hatte: «Man muss einfach aufpassen, dass man seinen eigenen Vogel nicht für den Heiligen Geist hält.»

 

Im Evangelium nach Lukas steht, dass der Gottesgeist als «Kraft aus der Höhe» herabkommen wird. Wo und wie konnten Sie schon diese Kraft spüren?

Einerseits die sanften Stupser auf dem Weg in den kirchlichen Dienst, andererseits die Gottesgeisteskraft, die mich immer wieder im Alltag antreibt. Ich weiss, dass der Heilige Geist da ist und ich ihm vertrauen kann.

 

Welche Gedanken geben Sie den Gläubigen zum Pfingstfest mit auf den Weg?

Ganz wichtig ist in dieser herausfordernden Pandemiezeit, dass man nicht verzagt. Pfingsten schenkt uns die Kraft, mit Gottvertrauen auch in der Zukunft erfüllt unterwegs sein zu dürfen.

 

von René Fuchs

Hanspeter Wasmer

 

Hanspeter Wasmer (55) ist in Wohlen im Freiamt aufgewachsen. Nach einer kaufmännischen Lehre studierte er zunächst am Katechetischen Institut in Luzern, anschliessend an den Theologischen Fakultäten in Luzern und Wien. 1996 empfing er die Priesterweihe. Nach seinem Vikariat in der Pfarrei Reiden-Wikon war er sieben Jahre lang Subregens im Seminar St. Beat in Luzern. Ab 2004 leitete er als Pfarrer die Pfarrei St. Pius in Meggen, von 2015 bis Ende Januar 2018 den Pastoralraum «Meggerwald Pfarreien». Ebenso war er seit 2009 Dekan des Dekanats Luzern-Habsburg. Auf März 2018 ernannte ihn Bischof Felix Gmür zum Bischofsvikar für die Bistumsregion St. Viktor der Kantone Luzern, Thurgau, Schaffhausen und Zug. rf

 


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