SB-Gspröch Fabio Scherer

Soll der Uferschutz aufgeweicht werden?

Der Kantonsrat hat mit 91 Ja zu 13 Nein ein Postulat von Adi Nussbaum (Mitte, Hochdorf) als erheblich erklärt. Gemäss dem Ansinnen sollen Grillstellen und Sitzgelegenheiten ermöglicht und Landwirtschaftsbetriebe teilweise von der Schutzzone ausgenommen werden. Eine Minderheit, darunter Josef Schuler (SP, Hitzkirch), stimmte dagegen.

Wie darf und soll das Ufer des Baldeggersees genutzt und/oder geschützt werden? Foto: Archiv/SB
 

Adrian Nussbaum hatte das Postulat im Oktober vor einem Jahr eingereicht, nun wurde es im Zusammenhang mit der Motion von Hasan Cadran (SP) letzte Woche im Kantonsrat behandelt und als erheblich erklärt. Die Motion Cadrans hingegen wurde mit 26 Ja zu 77 Nein (siehe SB-Ausgabe vom 21. September) abgelehnt.

Im Postulat Nussbaums bezüglich Baldegger- und Hallwilersee wurde angeregt, unter anderem Folgendes zu prüfen und punktuell zu revidieren: Allenfalls notwendige Anpassungen zur Umsetzung des beabsichtigten ufernahen Seerundwegs sowie Anpassung, um darüber hinaus den Bau von Wanderwegen in der Naturschutzzone zu ermöglichen; Einräumen des Rechts, Bauten für Naherholungsmöglichkeiten (wie beispielsweise das Aufstellen von Sitzgelegenheiten und Grillstellen) in der Landschaftsschutzzone zuzulassen; Einräumung einer generellen Ausnahmebestimmung in der Landschaftsschutzzone für das Aufstellen von mobilen Bauten, wie beispielsweise Zelten für eintägige Veranstaltungen (wie zum Beispiel beim Slow-up) oder maximal zweiwöchige Zeltlager. Ferner auch das Zulassen von zonenkonformen Bauten und Anlagen).

Alternativ sei eine Anpassung des Perimeters zu prüfen beziehungsweise einzelne Landwirtschaftsbetriebe seien mindestens teilweise von der Schutzzone auszunehmen. Nussbaum begründet dies so: «Der Schutz des Baldegger- und des Hallwilersees und deren Uferlandschaft ist von hoher Wichtigkeit. Die Einmaligkeit der Baldeggersee-Landschaft soll bestmöglich erhalten werden. Auf der anderen Seite ist aber auch sicherzustellen, dass die Seetaler Bevölkerung die Schönheit der Region erleben kann und die Grundeigentümer, insbesondere Landwirtschaftsbetriebe, handlungsfähig bleiben. Die Schutzverordnung datiert aus dem Jahr 1992 und soll an die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden.» Und: Die Schutzverordnung dürfe nicht zu einem faktischen Berufsverbot der Landwirtschaftsbetriebe führen, welche unter Beachtung des geforderten Schutzes für die besondere Landschaft ihren Landwirtschaftsbetrieb fortführen wollen. «Es wird von den Umweltverbänden immer wieder gefordert, den Nutztierbestand in der Landwirtschaft im Einzugsgebiet der Seen zu reduzieren. Die Luzerner Regierung muss im Gegenzug Alternativen bewilligen, die den Abbau des Nutztierbestands ermöglichen, ohne dass einzelne Betriebe den Status eines landwirtschaftlichen Gewerbes verlieren», argumentiert Nussbaum.

Hauptproblem: Zustimmung
der Grundeigentümerschaft

In seiner Stellungnahme vom 4. Juli, in der der Luzerner Regierungsrat dem Kantonsparlament empfahl, das Postulat als erheblich zu erklären, schrieb die Regierung unter anderem: «In der Naturschutzzone soll der Bau von Wanderwegen ermöglicht werden. Wie im Postulat richtig festgehalten wird, ist aktuell eine Teilanpassung der Schutzverordnung betreffend die Ergänzung des Rundwegs im Gang. Das Projekt ‹Ergänzung Rundweg Westufer Abschnitt Mülihof–Tämpike–Nunwil (Rundweg Baldeggersee)› zeigt, dass nicht die Schutzverordnung den hauptsächlichen Hinderungsgrund für einen durchgehenden ufernahen Rundweg darstellt.» Herausfordernd seien insbesondere die Zustimmung der Grundeigentümerschaften beziehungsweise die damit verbundenen allenfalls notwendigen Enteignungsverfahren. «Davon ist auch bei den im Postulat erwähnten Wanderwegen auszugehen. Für eine damit zusammenhängende und erforderliche Anpassung der Schutzverordnung haben sich die zuständigen kantonalen Stellen bis anhin offen gezeigt.»

Bei den im Postulat aufgeführten Nutzungen wie Stellplätze oder Schlafen im Stroh handelt es sich um zonenfremde Nutzungen, die nach der Ausnahmebestimmung des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes zu beurteilen seien. «Neubauten, die nicht zonenkonform sind, sind in der Landschaftsschutzzone nur zulässig, wenn die Baute oder Anlage im Interesse des Schutzzieles liegt oder die Anwendung der Schutzverordnung sich als unzumutbar erweist. Die Schutzziele dürfen aber nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Eine Umnutzung von bestehenden Bauten kann bereits heute bewilligt werden, sofern diese keine zusätzliche zonenkonforme Baute erfordert und die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen erfüllt sind. Auch das Aufstellen von mobilen Bauten während einzelner Tagen für eine Veranstaltung (beispielsweise für einen Slow-up) ist in der Landschaftsschutzzone grundsätzlich zulässig und je nach Ausführung sogar bewilligungsfrei, sofern dies am Rand der Landschaftsschutzzone erfolgt», so der Regierungsrat.

«Unterstützen generell»

Trotz der geschilderten Ausgangslage in Bezug auf einzelne konkrete, im Postulat aufgeführte Forderungen, unterstütze der Regierungsrat das generelle Anliegen, unter Einbezug der verschiedenen Anspruchsgruppen eine Auslegeordnung zu machen und den Bedarf einer Überprüfung, der aus dem Jahr 1992 stammenden und 2014 letztmals angepassten Verordnung zum Schutz des Baldegger- und des Hallwilersees und ihrer Ufer, ergebnisoffen zu klären. «Auch werden wir uns mit dem Kanton Aargau austauschen, um in der Thematik eine konsolidierte Haltung zu haben.» Sollte sich aus dieser Auslegeordnung ein Anpassungsbedarf ergeben, wird das zuständige Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement eine Verordnungsänderung in die Wege leiten und zum Beschluss vorlegen. «Wie bereits im Postulat aufgeführt, soll die Bedarfsklärung jedoch nicht das aktuell laufende Verfahren in Bezug auf den Seerundweg beeinflussen oder gar verzögern, weshalb wir eine umfassendere Diskussion zur Schutzverordnung erst nach Abschluss dieser Arbeiten angehen werden.»

«Wegen Übernutzung
schwer belastet»

Gegen das Postulat von Adi Nussbaum stimmte die SP-Fraktion, darunter auch Kantonsrat Josef Schuler (Hitzkirch). «Obwohl das Postulat von Adrian Nussbaum im Titel eine Anpassung zum Schutz des Baldegger- und Hallwilersees und ihrer Ufer fordert, geht es inhaltlich um Lockerungen der bestehenden Schutzverordnungen. Dies für ein Gebiet, welches wegen der Übernutzung schwer belastet ist», erklärt Schuler gegenüber dem «Seetaler Bote». Die Verordnung bezwecke die Erhaltung der See- und Uferlandschaften des Baldegger- und Hallwilersees als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und diene als schonend zu nutzender Erholungsraum. Die beeinträchtigten Landschaftsteile und die naturnahe Ufervegetation sollen wiederhergestellt werden. «Über Jahre hat dieses Gesetz den Schutz gewährleistet, die Landschaft wurde erhalten und die Uferzonen aufgewertet. Die Ziele sind noch lange nicht erreicht», so Jösy Schuler. «Das Postulat möchte eine grundsätzliche Auslegeordnung und eine Neuausrichtung der Bestimmungen. Leider gab und gibt es immer wieder Verstösse gegen das Schutzgesetz. Sei es, dass die Uferzone geschädigt wird, Abfälle liegen gelassen und die Pflanzen- und Tierwelt gestört werden. Ich gehe mit dem Postulanten einig, dass eine Vernehmlassung Sinn macht. Denn nicht allen ist klar, was das Ziel der Schutzzonen ist. Weitere Forderungen von Nussbaum könnten jedoch auch mit der bestehenden Schutzverordnung umgesetzt werden», so SP-Kantonsrat Jösy Schuler weiter. «Der Bau des Seerundwegs ist mit der bestehenden Regelung machbar. Es sind die Grundeigentümer, welche sich nicht einig sind. Schon heute können zusätzliche Grillstellen und Sitzgelegenheiten erstellt werden. Auch Neubauten sind möglich, wenn sie der Zone entsprechen», erläutert er. Sogar das Hauptanliegen von Adrian Nussbaum nach mobilen Bauten wie Zelte für eintägige Veranstaltungen oder ein Zeltlager seien durchführbar. «Sie sind bewilligungsfrei, wenn sie am Rande der Schutzzone liegen. Eine Bewilligung macht Sinn, damit die Zuständigkeiten klar geregelt sind. Zeltlager können auch ausserhalb der Schutzzone durchgeführt werden. Jahr für Jahr führen Jugendorganisationen in unserer Gegend Lager durch, Plätze sind genügend da. Übrigens hat auch die Guuggenmusig Räbedibäms im nahen Gölpiwäldli einen geeigneten Platz gefunden.»

Welche Ausnahmebestimmungen die Landwirtschaft erhalten soll, sei  ihm schleierhaft, so Schuler. «Schliesslich ist jegliche Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten bereits heute gewährleistet.» Klar sei, dass es in dieser sensiblen Zone keine Stellplätze für Camping und weitere Angebote für «Schlafen im Stroh» brauche. Solche Angebote im Uferbereich würden die Vegetation schädigen und bestimmt auf grossen Widerstand in der Bevölkerung stossen.

«Zustände wie am Hallwilersee, wo ständig Abfälle liegengelassen, Partys durchgeführt und die Natur gestört wird, wünscht sich bei uns niemand», erklärt Jösy Schuler. «Eine Lockerung der Schutzverordnung bringt dem See und der Natur keinen Mehrwert. Man darf nicht vergessen, dass es bei einer Schutzverordnung um den Schutz der Natur geht.»

«Schwächung der Lebensräume kommt nicht infrage»

Und Pro Natura Kanton Luzern äussert sich schriftlich wie folgt: «Das Postulat des Luzerner Kantonsrats A. Nussbaum über die punktuelle Anpassung der Verordnung zum Schutz des Baldegger- und des Hallwilersees und ihrer Ufer wurde vom Kantonsparlament für erheblich erklärt. Die nun folgende Auslegeordnung soll klären, ob es Anpassungsbedarf gibt. Pro Natura Luzern ist offen für eine Diskussion punktueller Anpassungen, wo diese den Betrieben eine Abkehr von der tierintensiven Landwirtschaft erleichtern. Hingegen kommt für uns eine Schwächung des Schutzes wertvoller Lebensräume nicht infrage. Nicht zuletzt sehen wir den Prozess auch als Chance, um zusätzliche Anliegen des Naturschutzes in die Schutzverordnung aufzunehmen.» SB

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