SB-Gspröch Fabio Scherer

Bistumsgelder auf ein Sperrkonto

Die grosse Zahl von Missbrauchsfällen, die in den letzten Wochen bekannt wurde, haben die katholische Kirche in der Schweiz in ihren Grundfesten erschüttert. Die Kirchgemeinden Ballwil und Hochdorf nehmen Stellung.

Die Kirchgemeinde Ballwil reagiert aktiv. Foto: Archiv/SB
 

«Es ist Zeit zum Handeln nach unseren Möglichkeiten. Die Basis und die Kirchgemeinden haben in unserem dualen System eine Möglichkeit, verstärkt Einfluss zu nehmen auf Entscheide innerhalb der Organisation der katholischen Kirche – über die Finanzen. Es ist an der Zeit, dieses Mittel aktiv einzusetzen», schreibt die Kirchgemeinde Ballwil in einer Medienmitteilung. «Die Mitglieder des Kirchenrats der Kirchgemeinde Ballwil unterstützen die vier Forderungen der Kirchgemeinde Adligenswil an das Bistum Basel beziehungsweise an die Schweizer Bischofskonferenz im Zusammenhang mit der Missbrauchsstudie. Der Kirchenrat der katholischen Kirchgemeinde Ballwil hat deshalb ebenfalls entschieden, das eine Prozent am Anteil der Kirchensteuer, welches das Bistum Basel normalerweise über die Landeskirche erhält, auf ein Sperrkonto einzuzahlen».

«Den Worten müssen
jetzt Taten folgen»

Die Kirchgemeinde Ballwil anerkenne, dass im Bistum bereits einiges erreicht worden sei, die Grenzen der Möglichkeiten teilweise ausgeschöpft werden und die Offenheit für Veränderungen gross sei. «Nun müssen wir aber einen Schritt weitergehen. Den Worten müssen jetzt aktivere Taten folgen – auch mit klaren Forderungen.» Der Kirchenrat fordere deshalb vom Bistum Basel beziehungsweise von der Schweizer Bischofskonferenz unabhängige Untersuchungen. Das heisse, keine «Abklärungen unter Kollegen». Die Untersuchungen zu Missbrauchsfällen müssten heute und in Zukunft einer unabhängigen nicht kirchlichen Stelle übertragen werden.

Die zweite Forderung ist die Bestimmung einer unabhängigen Meldestelle: «Es soll eine oder mehrere unabhängige, professionelle Ombudsstelle(n) ausserhalb von kirchlichen Strukturen bestimmt werden. Hier können sich Opfer ohne Folgen melden und die Meldungen werden professionell erfasst und überprüft.» Drittens keine Aktenvernichtung: Zukünftig soll die Aufbewahrung sämtlicher Dokumente bei einer unabhängigen Stelle, wie zum Beispiel im Staatsarchiv, erfolgen. Und viertens: «Die Archive des Nuntius Martin Krebs müssen ebenfalls für die Studie geöffnet werden: Der Kirchenrat erwartet, dass dies von der Schweizer Bischofskonferenz konsequent eingefordert wird. Damit können jetzt alle relevanten Dokumente in die Studie einfliessen.»

Aufruf an andere Kirchgemeinden

Der Kirchenrat der Kirchgemeinde Ballwil wünscht ein Bistum, das transparent und entschlossen handelt und die Fortschritte offen kommuniziert. «Die Beiträge werden so lange auf dem Sperrkonto zurückbehalten bzw. auf dieses einbezahlt, bis die Forderungen erfüllt sind. Sollten vertrauenswürdige Beweise erbracht werden, dass nach dem 12. September 2023 nachweislich relevante Akten vernichtet wurden, fliessen die zurückgehaltenen Gelder an die Kirchgemeinde zurück und werden für soziale Aufgaben innerhalb dieser verwendet», scheibt der Kirchenrat.

Falls sich die Landeskirche des Kantons Luzern (Synode) und/oder die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz ebenfalls für finanzielle Massnahmen gegenüber dem Bistum Basel beziehungsweise der Schweizer Bischofskonferenz entscheiden, werde sich der Kirchenrat Ballwil überlegen, die zurückgehaltenen Beträge an die Landeskirche des Kantons Luzern zu überweisen. «Es ist dem Kirchenrat Ballwil bewusst, dass die einzelnen Beiträge nicht hoch sind, jedoch in der Gesamtsumme relevant werden. Deshalb rufen wir alle Kirchgemeinden in der Schweiz auf, dasselbe zu tun.»

Abschaffung des Pflichtzölibats

Weiter wünscht der Kirchenrat der Kirchgemeinde Ballwil von der Schweizer Bischofskonferenz, dass sie sich – wie bereits von Bischof Felix Gmür mitgeteilt – unmissverständlich, klar und dauerhaft dafür engagiert, dass ein Kulturwandel initiiert und das System grundlegend umgebaut wird. Das heisst, dass das Pflichtzölibat abgeschafft wird. Wer diese Lebensform für sich richtig findet, soll sie weiterhin leben dürfen, sie soll aber nicht mehr Pflicht sein für den Priesterberuf. Weiters: Dass Frauen gleichberechtigt in der Kirche tätig sind. Das schliesse alle Ämter und Weihen ein. «Zudem ist es für den Kirchenrat wichtig, dass allfällige künftige Missbrauchsfälle konsequent gemeldet werden und eine zivilrechtliche Strafverfolgung nach sich ziehen. «

Kirchenrat Hochdorf: «Betroffen und schockiert

Von der katholischen Kirchgemeinde Hochdorf gibt es folgende Stellungnahme: «Auch der Kirchenrat Hochdorf ist von den Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche betroffen und schockiert und fühlt sich solidarisch mit allen Betroffenen. Er nimmt jedoch positiv zur Kenntnis, dass die Aufarbeitung des unrühmlichen Kirchenkapitels von der Kirche angestossen und in Auftrag gegeben worden ist.» Man stehe in Abklärungen mit den umliegenden Kirchgemeinden und möchte ein Zeichen setzen und das Bistum Basel, die Schweizer Bischofskonferenz und den Synodalrat der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern in den nächsten Tagen schriftlich über die Forderungen informieren. «Im Fokus dieses Schreibens stehen die Einsetzung von externen Fachpersonen, die Einrichtung einer unabhängigen Meldestelle, die Errichtung eines interdiözesanen, kirchlichen Strafgerichtshofes, keine Aktenvernichtung sowie die Archivöffnung von Nuntius Martin Krebs.»

Gleichzeitig gelte der Appell an den Synodalrat und das Kirchenparlament in der Budgetdebatte vom 8. November die weitere Beitragszahlung an das Bistum mit der Forderung für eine zeitnahe Umsetzung zu verknüpfen. Und es wird gefordert, die Kompetenzen der Frauen weiter auszubauen, damit Frauen gleichberechtigt in der Kirche tätig sein können. «Das Zölibat soll nicht mehr Pflicht sein für den Priesterberuf, jeder Seelsorger, jede Seelsorgerin soll dies Lebensform leben, die er/sie für sich richtig hält».

Der Kirchenrat habe Verständnis für jeden Kirchenaustritt. «Damit werden die guten Werke vor Ort gefährdet und die finanziellen Mittel fehlen, um die Jugend, Familien, ältere Menschen und Vereine in ihren Projekten zu unterstützen. Die engagierten Menschen in der Kirche haben nichts mit den Missbrauchsfällen zu tun.» Der Kirchenrat appelliert, an die Katholikinnen und Katholiken der Kirche treu zu bleiben und diese weiterzuentwickeln. pd/SB

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