Nachruf

06. Oktober 2021

Ruth Weber-Hämmerli

Ruth Weber-Hämmerli
Baldegg und Hochdorf

Am 11. Februar 1927 wurde Ruth als drittes Kind von Marie Hämmerli-Kneubühler und Gottfried Hämmerli in Büschikon bei Tägerig im Kanton Aargau geboren. Die Eltern waren stolz, ein kleines «Heimetli» zu übernehmen. Das Glück währte nicht lange. Gottfried erkrankte an Tuberkulose und verliess die Klinik Barmelweid viel zu früh. Das Kind Ruthli genoss die Anwesenheit des geliebten Vaters. Sein Tod war für die Zehnjährige ein ganz harter Schicksalsschlag. Eine entbehrungsreiche Zeit prägten das Kind und die heranwachsende junge Frau. Bei entfernt Verwandten mit einem Lebensmittelgeschäft in La Chaux-de-Fonds arbeitete sie zwei Jahre lang. Die Freude am «Lädele» wurde geweckt. Trotz sehr guter Noten war es nicht möglich einen Beruf zu erlernen.

Auf einem grossen landwirtschaftlichen Gut in Mettmenstetten lernte Ruth den Auslandschweizer und während des Zweiten Weltkriegs aus Frankreich geflüchteten Etienne Weber kennen. Sie konnten sich auf französisch verständigen und wurden ein Liebespaar. Ein weiterer sehr harter Schicksalsschlag war der Tod des ersten, 9 Monate alten, Töchterleins. Nach der Heirat am 22. Oktober 1949 wohnte das junge Paar in Baldegg und freute sich umso mehr am Wachsen der Kinder Marian, Lisbeth und Helen. Ruth ergänzte das knappe Haushaltgeld mit Arbeit in der Schreinerei Bohren und mit Putzarbeit, besonders im Pfarrhaus bei der Familie Geissbühler. Sie verarbeitete die Gartenernte und war kreativ in der Küche, um die Verwandtschaft aus Frankreich, Freunde aus Deutschland und viele andere Gäste zu bewirten. Ihre Fähigkeiten in der Handarbeit halfen, mit dem Budget zurechtzukommen.

Ihre Mutter, unser Grosi, Marie Hämmerli holte sie nach Baldegg und begleitete sie bis zum Tod. Ihre Liebe zu Kindern weitete sie auch auf unsere Gespanen aus.  

Ganz wichtig waren das Singen im Kirchenchor und der Gottesdienstbesuch. Als Aktuarin des Chors schrieb sie ihre Berichte oft in Versform. Manchmal blieb Zeit für ein Buch. Später war das Lesen der Tageszeitung unumgänglich.

Während den 18 Jahren als letzte «Lädelifrau» in Baldegg, bleibt sie ganz vielen Menschen in Erinnerung. Sie kannte die Sorgen und Freuden ihrer Kunden. Die Kinder konnten ihr Sackgeld vertrauensvoll auf den Ladentisch legen und Frau Weber wusste, welches Geschenk die entsprechende Mutter freuen würde. Die Bahnarbeiter kannten sich längst in Webers Kaffee-Küche aus. Durch den Kontakt mit den Marmoriarbeitern lernte sie ein wenig italienisch und stellte das Telefon oder die Waschmaschine zur Verfügung. Mit ihren Geschenkkörben wurde sie bei Vereins- und privaten Anlässen bekannt. In dieser Lebensphase kamen die ersten Grosskinder zur Welt. Sie wurde mit Freude und grossem Engagement ein geliebtes Grossmami.

Das alte Haus mit «Lädeli» wurde abgerissen. Im Dezember 1986 bezogen Ruth und Etienne das neue Eigenheim. Der spät erfüllte Traum ermöglichte es ihnen, in Baldegg zu bleiben. Es blieb mehr Zeit für Haus und Garten, für die Grosskinder und Gäste. Als ihr geliebter Etienne schwer erkrankte, pflegte sie ihn geduldig zu Hause bis zu seinem Tod im Mai 2008. Mit Unterstützung der Töchter, der hilfsbereiten Nachbarn und der Spitex, blieb sie bis im Herbst 2015 im liebgewordenen Haus. Sie wollte keinen weiteren Winter allein im Haus wohnen und entschied sich für den Umzug in die Sonnmatt. Das war nicht einfach. Einmal mehr hat sie das tapfer gemeistert. Ihre Kontaktfreudigkeit half mit, sich zurechtzufinden. Der Grabbesuch bei Etienne war ganz wichtig. Sie wurde bekannt als gute Sängerin und Tänzerin mit dem Rollator. Die Coronazeit hat sie dank ihrer Lebenserfahrungen geduldig ertragen. Die Sicht auf das vertraute reformierte Pfarrhaus und der weite Blick bis zu den Bergen waren eine Wohltat. Die zunehmenden Beschwerden schränkten ihre Eigenständigkeit ein. Nach einem «Schlägli» am 27. April war der Rollstuhl nicht mehr zu umgehen. Die Lebensfreude schwand rasch. Gut um­sorgt von der Pflege der Sonnmatt und begleitet von ihren drei Töchtern starb sie friedlich am Morgen des 8. Mai 2021.

Mit grossem, herzlichen Dank sagen wir mit ihren Worten: Bhüet di Gott!

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