Der Hauswart verlässt den Pausenplatz

Die Tage als Hauswart sind für Hansruedi Wespi seit Kurzem gezählt: Der 65-Jährige ist seit Anfang März im Ruhestand. Mit dem «Seetaler Bote» blickt er zurück auf die vergangenen 28 Jahre – und in die Zukunft.

Milena Stadelmann

Vor 28 Jahren öffnet Hansruedi Wes­pi an einem Samstagmorgen – noch im Pyjama – die Tür. Der Hochdorfer Gemeinde­ammann und der Gemeinde­schreiber höchstpersönlich stehen vor ihm. Die beiden überbringen ihm die Nachricht: Wespi hat den Job als Hauswart bekommen. «Dieses Erlebnis ist mir bis heute geblieben», sagt Wespi und lächelt.

Die Stelle kam für ihn damals gerade richtig: Wespi sehnte sich nach einer beruflichen Neuorientierung. Nach einer Lehre als Automechaniker arbeitete er zwölf Jahre als Verkaufsberater im chemisch-technischen Bereich. Der Umsatzdruck war hoch – die Zeit für die Familie knapp. Er wechselte in den Produktionsbetrieb einer Firma, die Kunststoffteile herstellt. Auch diese Arbeit machte ihn nicht glücklich: «Ich war schon immer ein Mensch, der unter die Leute gehen muss», sagt Wespi. Als er die ausgeschriebene Stelle als Hauswart sah, versuchte er sein Glück. Mit Erfolg.

14 Jahre Schulhaus Weid ‒ 14 Jahre Anlage West
Als Wespi im April 1993 seine neue Arbeitsstelle im Schulhaus Weid antrat, befand sich das Gebäude im Bau. Der Hochdorfer kümmerte sich um die Baureinigung, bereitete das Gebäude für den Einzug der Schülerinnen und Schüler vor. Er gewöhnte sich schnell an seinen neuen Beruf – insbesondere die technischen Arbeiten freuten ihn: «Handwerklich war ich schon immer begabt», sagt Wespi. Bis zum Schluss gehörten die Reparaturen zu seinen liebsten Aufgaben. War etwas defekt, werkelte er auf eigene Faust an der Lüftung oder der Heizung rum. Der Handwerker wurde erst gerufen, wenn er nicht mehr weiter wusste: «Konnte ich das Problem selber lösen, war ich immer richtig stolz», sagt Wespi mit leuchtenden Augen. 

In seiner Zeit als Hauswart lernte der 65-Jährige viel Neues: «Der Bereich der Reinigung war für mich zu Beginn komplett neu», sagt er. Wespi besuchte Kurse, bildete sich weiter. 2008 schloss er die Ausbildung zum Hauswart mit eidgenössischem Fachausweis ab.

Nach einer Umstrukturierung der Schule wechselte er nach 14 Jahren vom Schulhaus Weid zur Anlage West. Hier amtete er bis vor Kurzem über die Schulhäuser Arena, Zentral, Peter Halter und Junkerwald. Am 1. März hiess es zum letzten Mal: Schulhaus aufschliessen, Post holen und den Tag auf sich zukommen lassen. «Als Hauswart spielt die Flexibilität eine wichtige Rolle», sagt Wespi. Das schätzte er an seinem Beruf. Er hatte viele Freiheiten, konnte sich seine Arbeitszeiten selber einteilen. Über die Jahre bekam Wespi immer mehr Verantwortung und Entscheidungskraft. Dafür ist er dankbar.  

Im Wandel der Zeit
In den vergangenen 28 Jahren als Hauswart hat sich vieles verändert: Der administrative Aufwand ist gestiegen. Etwa zwei Stunden pro Tag verbrachte Wespi im Büro. Klärte Renovationen mit Handwerkern ab oder stellte Budgets zusammen. «Das Büro war nicht gerade mein Lieblingsfach», sagt Wes­pi. Doch das müsse eben auch sein. Als Wespi als Hauswart begann, hatte er noch keinen Computer. Er musste alles von Hand festhalten. 

Damals wurden von der Schule sieben Hauswarte beschäftigt – heute sind es noch zwei. Das habe mit dem technischen Fortschritt zu tun, erklärt Wespi: «Viele Handarbeiten werden heute durch Maschinen vereinfacht.» Auch durch neue Chemikalien wird die Reinigung erleichtert. Dabei habe sich das Umweltbewusstsein des Hauswarts «grundlegend verändert». Früher habe man noch nicht von biologisch abbaubaren Mitteln geredet, sagt Wespi. «Heute ist die Umweltverträglichkeit eine Grundvoraussetzung.» 

«Die Kinder sind nicht frecher geworden»
Vieles hat sich verändert – doch auch einiges ist geblieben. So werden auf dem Schulhausplatz noch die selben Spiele gespielt wie vor 28 Jahren: «Die Kinder spielen Verstecken, Fussball oder machen das Zinggi», erzählt Wes­pi. Nicht die Kinder hätten sich verändert, sondern die Gesellschaft: Die Kinder würden heute verwöhnt und sie wachsen mit dem Smartphone auf. «Deshalb kann man aber nicht sagen, dass sie fauler oder frecher geworden sind», findet er. Freche Kinder habe es früher gegeben und gebe es auch heute. So sei es über die Jahre auch ein paar Mal zu unschönen Situationen gekommen: Als Wespi bei Streitigkeiten einschreiten wollte, wurde er von Kindern eingekreist: «Da ist mir das Herz in die Hose gerutscht», sagt er. Passiert sei zwar nichts – trotzdem habe er in so einem Fall seither nie mehr selbst eingegriffen, sondern die Polizei gerufen. 

Das Einzige, was tatsächlich zugenommen habe, sei der Vandalismus. Das ärgert Wespi. «Man darf das aber nicht persönlich nehmen», sagt er. Schliesslich richte sich die Gewalt nicht direkt gegen den Hauswart. Aber auch solche Fälle habe es früher gegeben: So zündeten Schülerinnen vor ein paar Jahren im Schulhaus Weid das Mädchen-WC an. 

Der Abschied fällt schwer
Doch was bleibt, sind die vielen positiven Erinnerungen: Zum Beispiel die Spässe mit den Kindern, die bei ihm zur Strafe helfen mussten. «Einige haben mich danach gefragt, ob sie freiwillig wieder einmal kommen können», sagt Wespi und lacht. Über die Jahre hat sich in seinem Büro ein ganzer Stapel an Kärtchen angesammelt, in denen sich Kinder bei ihm für etwas entschuldigt oder bedankt haben. Manchmal wird Wespi von ehemaligen Schulkindern, die heute schon gegen 40 Jahre alt sind, erkannt und angesprochen, oder ein Kindergärtler winkt ihm von der anderen Strassenseite zu. Darüber freut er sich jedes Mal: «Dann spüre ich sehr viel Wertschätzung», sagt er. Die Schwätzchen und Spässchen mit den Kindern vor der Schule und in den Pausen werden Wespi in Zukunft besonders fehlen. Aber auch der Austausch mit den Erwachsenen: dem Personal, den Lehrern, der Schulleitung und dem Rektorat. Dafür freut er sich jetzt auf die neuen Freiheiten, die mit der Pensionierung einhergehen: Am Morgen länger liegen bleiben und «einfach mal nichts machen». Aber Wespi hat sich auch viel vorgenommen: Mit einem VW California will er durch ganz Europa reisen und bei einer befreundeten Familie in Kamerun auf einer Plantage helfen. Diese Pläne sind aufgrund von Corona erstmal auf Eis gelegt. Das hat sich Wespi anders vorgestellt – doch er macht das Beste daraus: «Dafür habe ich jetzt mehr Zeit für andere Dinge», sagt er. Für sein Grosskind, das Wandern oder Ausflüge mit seinem schweren Motorrad. Und sollte es Wespi doch mal langweilig werden? «Ich weiss, wann meine Kollegen Kaffeepause machen», sagt er und lacht. 

von Milena Stadelmann

Zur Person

Hansruedi Wespi wurde im Februar 1956 geboren. Als eines von neun Kindern wuchs er in Malters auf. Wespi ist Vater von drei erwachsenen Kindern und wohnt heute in Hochdorf. mst

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