Gantrufer aus Berufung

Bruno Furrer übt seit einem halben Jahrhundert einen aussergewöhnlichen Beruf aus. Ein Metier, für das es keine offizielle Ausbildung gibt. Er ist Gantrufer und versteigert Vieh, Maschinen, Gerätschaften, Antiquitäten und ab und zu auch Kuriositäten.

Daniel Schmuki

«Eine Gant lebt auch von der Unterhaltung, die sie bietet. Aber das ‹Kabarett› sollte nicht überwiegen. Eine spontane und angemessene Sprache kann die gute Stimmung zusätzlich heben», sagt Bruno Furrer. Er muss es wissen, hat doch der 71-Jährige in einem halben Jahrhundert Tausende von Versteigerungen als Gantrufer durchgeführt und Kauflustige zum Mitbieten animiert. Ganz in seinem Element sind mehrere Fähigkeiten gefragt: Schnelligkeit, Zahlenflair sowie eine gute Gesichtserkennung, eine feine Beobachtungs- und eine rasche Auffassungsgabe. Diese Talente werden bereits übermorgen Samstag, 13. April, an einer Gant in Ballwil erneut gefragt sein, an der Furrer rund 800 Personen erwartet. Dann werden Traktoren, Gerätschaften, Antiquitäten et cetera auf dem Hof Frieden versteigert (siehe Hinweis unten).

Bruno Furrer lebt zusammen mit seiner Frau Rita auf einem Bauernhof in Mosen nahe der Grenze zu Ermensee. Der Vater von drei Töchtern und Grossvater von sechs Enkelkindern ist gelernter Zimmermann und ursprünglich Bauer. Den Hof konnte er von seinem Vater übernehmen, der ebenfalls als Gantrufer tätig war und dadurch seinen Sohn Bruno in die Aufgaben eines Versteigerers einführen konnte. Über zwanzig Jahre waren sie ab 1973 gemeinsam unterwegs. «Ich hatte eine Einstiegsmöglichkeit in einen Beruf, den man fast nicht erlernen kann», sagt Bruno Furrer in seinem Zuhause. «In Kombination mit meinem Wissen als Bauer ist dies eine optimale Voraussetzung gewesen, denn als Bauer verstehe ich etwas vom Vieh und den Maschinen, die ich versteigere.»

Roter Bleistift als Markenzeichen
Vor einer Versteigerung schätzt Bruno Furrer mit dem Besitzer das Vieh und die Ware ein. Zusammen legen sie die Mindestpreise fest, die in den Katalogen der Versteigerung notiert werden. Es sei ihm wichtig, dass der jeweilige Mindestpreis für den Anbieter passt, so Bruno Furrer. Denn erst bei diesem Preis oder natürlich darüber kann der Gantrufer einen Zuschlag geben. Dazu verwendet er nicht wie bei Auktionen üblich einen Hammer, sondern er teilt das Vieh oder die Ware dem Meistbietenden mit seinem roten Bleistift zu. Dieser ist das Markenzeichen des Gant­rufers Furrer und er setzt ihn ein wie der Dirigent seinen Taktstock. «Bei Auktionen darf man das Wetter nie unterschätzen. Regnet es, dann bleiben Schaulustige und Spontankäufer eher zu Hause. Und ist Heuen angesagt, dann sind manche Bauern beschäftigt und abwesend an der Gant», weiss der Moser dank seiner langjährigen Erfahrung. «Wenn die Gebote nicht wie erwartet eingehen, dann streiche ich nochmals alle Vorzüge des angepriesenen Viehs oder des Geräts hervor. Es benötigt immer auch etwas Psychologie.»

Er habe sich oft überlegt, sich zu modernisieren, die Berufsbezeichnung des Gantrufers gegen diejenige des Auktionators einzutauschen, so Furrer. «Ein Journalist hat mir dann aber geraten, diesen Begriff beizubehalten. Man kennt mich seit 50 Jahren unter diesem Namen. Er passt auch besser zum landwirtschaftlichen Umfeld als die Bezeichnung Auktionator.» Regional ist Furrer in der deutschsprachigen Schweiz tätig. Eine Handvoll Berufskollegen und er teilen sich das Gebiet, es bestehen in seiner Region kaum Mitbewerber.

Versteigerungen auf den Bauernhöfen sind seltener geworden, denn kleinere Betriebe schliessen sich heutzutage öfters zu Betriebsgemeinschaften zusammen. So werden Tiere und Waren von anderen Bauern übernommen, sollte ein Hof schliessen. Weiter wurden in den letzten 20 Jahren Markthallen gebaut. Dort können Landwirte ihr Vieh versteigern. Bei solchen Viehauktionen erhält Gantrufer Furrer zumeist eine Tagespauschale. Interessanter sind für ihn solche Versteigerungen wie die anstehende in Ballwil. Dort ist er prozentual am Gesamtumsatz beteiligt, den er auf einen tiefen sechsstelligen Betrag schätzt.

Von Roger Federer zu Thierry Carrel
Natürlich durfte Bruno Furrer innert fünf Jahrzehnten auch Kuriositäten und regelrechte Trouvaillen versteigern. Oder auch nicht. So sollte er einst im Bündnerland bei einer Antiquitätensteigerung einen Totenschädel feilbieten. «Das hat mich geschaudert», sagt er und hat es auch nicht getan. Eine Polyesterkuh des FC Sankt Gallen, für die jemand 1879 Franken – das Gründungsjahr des Clubs – anfänglich zu bieten bereit war, ging letztlich für rund das Zehnfache weg. Der Erlös kam dem Nachwuchs des Clubs zugute. Und viele Male war Bruno Furrer unentgeltlich an wohltätigen Anlässen im Einsatz. An einer dieser Veranstaltungen durfte er einen Tennisschläger von Roger Federer an den Mann bringen, genau genommen in die Hände des Herzchirurgen Thierry Carrel.

Das höchste Gebot erzielte Bruno Furrer vor rund fünf Wochen. Er versteigerte eine 3,5-Zimmer-Wohnung in Rotkreuz auf Anfrage der Gemeinde. Die Wohnung gehörte einer Erbengemeinschaft, deren Miterben Furrer von landwirtschaftlichen Versteigerungen kannten und ihn deshalb unbedingt als Gantrufer engagieren wollten. Speziell an einer Liegenschaftenversteigerung ist, dass sich jeder Bieter eintragen und einen stattlichen Betrag an Bargeld für eine mögliche Anzahlung dabeihaben muss. «In Rotkreuz waren 150 Leute zugegen, 30 von ihnen haben mitgeboten, da waren mehrere Millionen Franken im Saal», sagt Bruno Furrer. Eine weitere Anekdote ist, dass er einen Schauspieler instruieren sollte, wie eine Versteigerung durchzuführen sei. Letztlich ist er dann selbst in diese Rolle geschlüpft im Schweizer Film «Das Geheimnis von Murk» aus dem Jahr 2008. Der Film wurde an den Solothurner Filmtagen ausgezeichnet und kam in die Kinos. «Das war ein Erlebnis», freut sich Bruno Furrer noch heute.

Seine Frau Rita als grosse Hilfe
In Ballwil wird Bruno Furrer bald ein weiteres Mal die Rolle seines Lebens spielen. An dieser Versteigerung wird auch seine Frau Rita für zwei Laternen mitbieten, wobei natürlich für sie genau dieselben Regeln gelten wie für andere. «Rita ist eigentlich nie Mitbieterin», sagt Bruno Furrer und ergänzt dankbar: «Weit mehr ist sie eine grosse Unterstützung und Hilfe an meiner Seite.» So sei sie für das Inseratewesen zuständig und bediene an den Versteigerungen auch die Lautsprecher, wie es früher sein Onkel Kari Beeler getan habe, führt Bruno Furrer aus

Wie lange er denn noch an einer Gant die Gebote ausrufen werde, wollte der «Seetaler Bote» wissen. «Ich mache dies, solange ich Spass daran habe und die Gesundheit es zulässt. Es dürften aber bestimmt noch zwei bis drei Jahre sein», sagt Bruno Furrer mit einem pfiffigen Lächeln.

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Versteigerung am Samstag, 13. April in Ballwil
Übermorgen findet eine Versteigerung von Maschinen, Fahrzeugen, Geräten und Antiquitäten aus einem Nachlass statt. Versteigerer ist die Urs-Heinz-Egli-Stiftung, als Gantrufer tritt Bruno Furrer auf. Antiquitäten werden ab 10 Uhr versteigert, darunter eine Truhe der Jungfer Anna Spiesen (Jahrgang 1799) und zwei Pferdeschlitten. Geräte folgen ab 11 Uhr (Sägen, Pumpen, Motoren), Maschinen und Fahrzeuge ab 12.30 Uhr (Traktoren, Transporter und Anhänger). Die Besichtigung ist am Steigerungstag ab 9 Uhr möglich. Steigerungsort ist der Hof Feiern (in Richtung Abtwil), Festwirtschaft auf Platz. Weitere Informationen und Bebilderung unter www.agroecoconsult.ch (pd)

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Zu den Begriffen «Gant» und «Auktion»
Die Gant ist ein veralteter Begriff aus dem Zwangsvollstreckungs- respektive Insolvenzrecht und wird auch für Versteigerungen, vor allem in der Landwirtschaft, benutzt. Ebenso ist die Redensart «auf die Gant kommen» gebräuchlich und bedeutet so viel wie «abgewirtschaftet haben» oder auch «pleitegehen». Seltener wird auch das Verb verganten (beziehungsweise «verquanten» = verramschen oder verkaufen) verwendet. Die genaue Herkunft des Worts «Gant» ist ungesichert, doch stammt es wahrscheinlich aus dem Lateinischen «in quantum», das heisst «wie viel? wie teuer?» (italienisch «incanto»). Die Vergantungen wurden zumeist vom Betreibungs- beziehungsweise vom Konkursamt durchgeführt. Der Auktionär wird in der Schweiz auch als Gantrufer bezeichnet.

Auktionen sind auch Untersuchungsgegenstand in der Volkswirtschaftslehre. Dabei interessiert im Rahmen der Auktionstheorie, auf welche Weise die Zuteilung von Ressourcen – beispielsweise Vieh, Maschinen oder Geräte – erfolgt und wie die anfallenden Preise anhand von Geboten der Marktteilnehmer entstehen. Die Auktionstheorie ist ein Spezialgebiet der Spieltheorie und gehört zur Mechanismus-Design-Theorie. Für Pionierarbeiten in der Auktionstheorie wurden 2020 die US-amerikanischen Ökonomen Paul R. Milgrom (Jahrgang 1948) und Robert B. Wilson (Jahrgang 1937) mit dem Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften geehrt und bereits 1996 erhielt unter anderem für Arbeiten zur Auktionstheorie William Vickrey (1914–1996) posthum den Preis (Quelle: in Anlehnung an Wikipedia).

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