Kraaa, kraaa, kraaa – Kaaaf, kaaaf, kaaah

Vor Ostern hat Andreas Meier sein neues Poem «_raben_schwarz» spielerisch vorgestellt. Dies an einer Vernissage im Kreis seiner Familie und Freunde in der «GnossStobe». Ganz nach dem Motto «Fein in Rain».

Daniel Schmuki

31 Zeilen zählt das Gedicht «_raben_schwarz». Es sei sein erstes Gedicht mit dieser Primzahl an Zeilen, sagt Andreas Meier in der «GnossStobe» in Rain. Sein neustes Gedicht ist den Kolkraben gewidmet, dies aufgrund neuster Forschungsergebnisse betreffend ihr soziales Verhalten und ihre Intelligenz.

Meier nimmt in seinem Rabengedicht Bezug auf Erzeugnisse von Weltliteraten, darunter einleitend und abschliessend auf das Gedicht «Die Raben» des österreichischen Dichters Georg Trakl (1887–1914). So charakterisiert der schwarze Winkel den Galgen, über den die Vögel fliegen. Rabenschwarz ist nicht nur der Titel des Poems, sondern weit mehr sein Inhalt. «Es hält den Menschen den Spiegel vor. Krieg, Umweltverschmutzung, Hass und Neid prägen den weisen Menschen. Die Rabenvögel warnen die Menschen vergebens», so Andreas Meier. Die Kolk­raben haben sich von der Menschheit befreit, denn deren «End ist daaah», wie sich der zweitletzten Strophe entnehmen lässt. Es ist die Schlüsselstelle im Poem «_raben_schwarz». Damit zollt Meier dem deutschen Dichter Christian Morgenstern (1871–1914) Tribut, insbesondere dessen Gedicht «Der Zwölf-Elf», das mysteriös und voller fantastischer Bilder ist.

Griechische und nordische Mythologie
Als Jugendlicher im Gymnasium in Liestal hat Meier elektronische Rechenanlagen benutzt, um sogenannte Nonsense Poems zu schaffen. Seine Liebe für die Kolkraben geht ebenfalls in seine Jugendjahre zurück. «Damals wurden die Rabenvögel von den Bauern abgeschossen und kopfunter an Stangen aufgehängt, um Rabenvögel von den Feldern fernzuhalten», erläutert Meier in seinem Essay «Zur Intelligenz von Raben – Anthologie ausgewählter Rabengedichte». Dieser Aufsatz setzt sein Gedicht «_raben_schwarz» in einen wissenschaftlichen Kontext und die Intelligenz der Rabenvögel in ein Verhältnis zur menschlichen und künstlichen Intelligenz (KI). Die Rabenintelligenz wird bereits in der Fabel «Der Adler und die Krähe» des griechischen Dichters Aesop im 6. Jahrhundert vor Christus thematisiert und mit einem – hier bewusst nicht genannten – Ratschlag für das Leben verbunden.

Eine weitere prominente Darstellung der Raben findet sich laut Meiers Essay in der nordischen Mythologie. Andreas Meier hatte sich bei seiner Lesung in der «GnossStobe» als der Hauptgott Wodan oder Odin verkleidet. Rechts und links auf den Schultern dieses Gottes sitzen die beiden Raben Hugin und Munin, die eine Art Vorläufer heutiger Medien – und damit auch des «Seetaler Bote» – sind: Sie flüstern dem Rabengott alles ein, was auf der Welt passiert.

«ChatGPT ist Schrott»
In seinem bisherigen Leben hat Andreas Meier etwa 2000 bis 3000 Poeme erschaffen. Aktuell vorhanden seien noch rund 1000 bis 1500, sagt der emeritierte Professor der Universität Freiburg im Üechtland. Er bedaure, dass die meisten Gedichte aus seiner Jugend nicht mehr vorhanden seien.

Der kreative Schaffensakt gestaltete sich jeweils unterschiedlich. «Es gibt Poeme, an denen arbeite ich wenige Tage. Es gibt solche, die trage ich viele Monate mit mir herum», sagt der Lyriker in der «GnossStobe». Sein neustes Stück «_raben_schwarz» habe ihn mehrere Wochen beansprucht. Es müsse letztlich einfach «klick machen». So ergebe sich Zeile für Zeile, Strophe für Strophe. Wichtig seien ihm Feedback-Loops, also mehrere Rückmeldungen von verschiedener Seite. Vorab von seiner Frau Lydia Meier-Bernasconi. Dann die Interaktionen mit seinen beiden Enkeln, dem 9-jährigen Rico und dem 7-jährigen Diego. Dieser Austausch sei besonders in Kombination mit einer passenden spielerischen Darbietung wertvoll. Letztlich greift Meier auch auf einen Lektor für Lyrik in Berlin zu, eine äusserst seltene Berufsgattung, wie Dichter Meier betont.

Ob ihm KI, beispielsweise Chat GPT, für das Schreiben seiner Poems helfe, oder ob KI gar die Dichter ersetzen könne, wollte der «Seetaler Bote» wissen. «ChatGPT ist Schrott», entgegnet Meier direkt. «Dieses System kann nur wiedergeben, womit es gefüttert wurde. Poeten werden noch lange nicht zusammenpacken müssen», sagt Anas Drei Meer – wie sich Andreas Meier als Anagramm seines Namens gerne selbst bezeichnet.

Ausstellung im «blue rain drop»
Andreas Meier hat Teile des Pilgerwegs alleine absolviert, um sich selbst besser kennenzulernen. Er ist leidenschaftlicher Mountainbiker. Und er schätzt die Zeit mit seiner Frau Lydia, seinen Kindern und Enkelkindern und zusammen mit Freunden.

Wer das Poem von Andreas Meier selbst erleben, analysieren und hinterfragen möchte, der wird auch im kommenden Jahr Gelegenheit dazu haben. Der Künstler ist in Vorbereitung seiner Ausstellung «digitale poems & generative lyrics», die ebenfalls andere seiner Werke zur Schau stellen wird. So entwickelt Meier Ideen des russischen Malers Wassily Kandinsky (1866–1944) im Zeitalter der Digitaltechnik weiter und lässt die Farbenlehre Kandinskys auf die Zahlenreihe des italienischen Mathematikers Leonardo Fibonacci (circa 1170 bis circa 1240) treffen; die Reihe ist eine unendliche Folge natürlicher Zahlen: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, … Wie lautet wohl die nächste Zahl? Die Antwort und besonders auch die dahinter liegende mathematische Funktion kann ebenfalls in Meiers Ausstellung in Erfahrung gebracht werden. Im Atelier «blue rain drop» im Rütipark in Rain zwischen März und Oktober 2025.

Weiterführende Informationen: Meier, A. (2024). Zur Intelligenz von Raben – Anthologie ausgewählter Rabengedichte, in: Bader, W. (Hrsg.): novum #15, Wien.

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Andreas Meier (Jahrgang 1951) hat Musik an der Akademie in Wien und Mathematik an der ETH in Zürich studiert. Nach seiner Promotion war er im IBM Research Lab in Kalifornien tätig, bevor er in der Banken- und Versicherungsbranche sein Wissen umsetzen konnte. Danach folgte eine Professur an der Universität Freiburg im Üechtland, wo er für Data Science und Electronic Business zuständig war. Meier ist mittlerweile emeritiert und pflegt seine Hobbys generative Lyrik und experimentelle Musik. Er lebt mit seiner Frau Lydia in Rain. (pd)

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