Eine Karriere wie eine Achterbahn

Der Hitzkircher Haxhi Neziraj war einst ein vielversprechendes Talent des FC Luzern. Mittlerweile spielt er beim Erstligisten Buochs und arbeitet als Kundenberater – was ist passiert?

Milena Stadelmann

3. September 2011: Die Luzerner Swiss-porarena wird eröffnet mit einem Testspiel des Gastgebers FC Luzern gegen den damaligen deutschen Bundesligisten Hamburger SV. Kurz vor Schluss liegen die Schweizer im Rückstand – doch dann wechseln sie das 18-jährige Talent Haxhi Neziraj ein, und der ehemalige Junior des FC Hitzkirch netzt ein paar Minuten später zum 2:2-Unentschieden ein. Neziraj ist der Held des Tages und gilt als Zukunftshoffnung, wird aber daraufhin trotzdem noch im Nachwuchs eingesetzt.

2013 unterzeichnet der albanisch-schweizerische Doppelbürger, dessen Familie aus dem Kosovo stammt, beim FCL seinen ersten Profivertrag. Schon in seinem zweiten Super-League-Spiel erzielt der offensive Mittelfeldspieler beim 4:3-Auswärtssieg gegen Servette das entscheidende Tor. Der albanische Verband wird auf ihn aufmerksam, und Neziraj kommt zu fünf Einsätzen für die dortige U21-Nati. Alles scheint bereit für eine grosse Karriere des Seetalers. Scheint.

Leih- statt Stammspieler
Denn seine Profilaufbahn lief nicht so, wie sich das der in Hitzkirch aufgewachsene und weiterhin wohnhafte Fussballer vorgestellt hatte. Was ist schiefgelaufen? Der mittlerweile 28-jährige Neziraj sagt durchaus selbstkritisch: «Ich traf falsche Entscheidungen und wurde zu oft falsch beraten von Personen, die sich nur bereichern wollten.» Und auch eine gewisse Ungeduld wurde Neziraj zum Verhängnis. «Ich wollte natürlich möglichst viel spielen, doch der damalige FCL-Trainer Bernegger gab mir keine Spielzeit. Und dies, obwohl ich im Training alles gab und einen guten Eindruck hinterliess.» Bernegger habe ihm versichert, dass er bald mehr eingesetzt werden würde – doch dies geschah nicht. Neziraj sprach beim Sportchef, dem Schweizer Nati-Rekordtorschützen Alex Frei, vor. «Ich hielt es nicht mehr aus und bat ihn, dass er mich woanders hin ausleihen soll.»

So wechselte der 22-Jährige im Herbst 2014 zum Challenge-League--Team Wohlen mit Trainer Ciriaco Sforza. «Ich glaubte, dort werde ich sofort Stammspieler. Doch ich kam grausam auf die Welt.» Sforza hatte für Neziraj nur die Rolle eines Ergänzungsspielers vorgesehen. Nach einer Saison kehrte er zurück zu Luzern – ohne jedoch in einem Ernstkampf eingesetzt zu werden. In der Innerschweiz hatte sich in der Zwischenzeit vieles geändert: Markus Babbel war nun Trainer, Rolf Fringer neuer Sportchef. «Babbel sagte zu mir, ihm gefalle, was er von mir sehe, und meinte, ich würde meine Chancen bekommen.» Doch nach einem Vorbereitungsspiel gegen Schaffhausen, wo Neziraj eine überzeugende Leistung zeigte, wurde er tags darauf von Fringer kontaktiert. Dieser sagte ihm, dass Schaffhausen-Coach Jacobacci ihn als Spielmacher verpflichten wolle, er würde also dorthin ausgeliehen. «Ich war verwirrt, da Babbel mir was anderes in Aussicht gestellt hatte.» Der deutsche Trainer versprach ihm, dass er nach einem Jahr wieder zurückkehren könne. Bei den Munotstädtern spielte er eine hervorragende Saison; doch dann kam ein weiterer Nackenschlag: Der FCL teilte ihm mit, dass er in der Planung keine Rolle mehr spiele. «Das fand ich unprofessionell, und ich begann, langsam mein Vertrauen in die Menschen zu verlieren.»

Albanien, Kosovo, dann der Rückzug
Ein halbes Jahr später, 2016, nahm er ein Angebot aus Albanien an, von Flamurtari Vlora. Dort lief es eine Saison lang top, doch dann kam ein neuer Trainer, der alles umkrempeln wollte, also entschied sich Neziraj für einen Wechsel zu seinen Wurzeln, in den Kosovo. Dort erlebte er eine erfolgreiche Zeit, er wurde mit dem FC Drita Gijlan Meister. «Und wir spielten gegen Malmö um die Qualifikation für die Champions Lea-gue, verloren zwar, aber das war eine schöne Erfahrung.» Da es danach sportlich bergab ging, wechselte Neziraj zum neuen Kosovo-Meister Feronikeli. «Es war ein Fiasko, sie konnten mich bald nicht mehr bezahlen.» Der Klub steht heute kurz vor der Insolvenz, und Neziraj strebt gerichtlich an, dass er noch die ausstehenden Löhne bekommt.

Dieser Ärger führte dazu, dass Neziraj mit 26 endgültig die Nase voll hatte vom Profigeschäft. «Es war für mich eine spannende Zeit und ich habe viel erlebt und erreicht. Ich spürte aber, dass ich mich nun anders orientieren wollte.» So kehrte er in die Schweiz zurück und suchte eine neue berufliche Herausforderung – und fand sie als Quereinsteiger in der Funktion als Kundenberater im Bereich Digital Marketing, dort ist er seither zu Vollzeit tätig und viel unterwegs. «Ich habe mindestens 20 Termine pro Woche. Doch es ist genau der richtige Job für mich, ich fühle mich sehr wohl.» Neziraj nahm sich eine kurze Auszeit vom Fussball. «Doch der Sport ist und bleibt meine Leidenschaft.»

Mit Buochs fast Luzern geschlagen
Daher spielt er nun seit eineinhalb Jahren beim SC Buochs, als Amateur. Fast gelang es Neziraj, mit dem «Underdog» seinem ehemaligen Arbeitgeber Luzern letzten September im Schweizer Cup ein Bein zu stellen, was natürlich eine Genugtuung für ihn gewesen wäre. Er erzielte gar den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich. «Leider scheiterten wir nur knapp in der Verlängerung.» Die Rückrunde in der 1. Liga Classic beginnt Anfang März. «Unser Ziel ist der Ligaerhalt. Wir haben ein junges Team, und ich versuche, uns mit meiner Erfahrung zu helfen.» Neziraj kann sich vorstellen, noch einige Jahre in Buochs zu spielen. Von der Rückkehr auf die grosse Bühne träumt Neziraj jedoch nicht mehr. «Es sei denn, der FC Luzern klopft an und sagt, er wolle mich unbedingt als Stammspieler», sagt er mit einem spitzbübischen Schmunzeln.

von Jonas Baud

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