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Seetal

Besinnliche Worte zu Weihnachten

In Ihren besinnlichen Worten zu Weihnachten betrachtet Schwester Doktor Hildegund Kunz die Einheit des Göttlichen und Menschlichen. Sie ist langjährige Seminarlehrerin für Germanistik und Geschichte im Kloster Baldegg. 

von Sr. Dr. Hildegund Kunz

Schön ist es, in einer klaren Nacht auf einem Berg zu stehen und die Sterne zu betrachten. Poetisch drückt dies der Dichter Angelus Silesius im 17. Jahrhundert so aus: «Der Himmel ist in dir. Halt an, wo laufst du hin, der Himmel ist in dir; suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.»

Der jetzige griechisch-orthodoxe Ökumenische Patriarch Bartholomäus sagt, in den Ikonen wird «die unvermischte und ungetrennte Einheit des Göttlichen und Menschlichen» ausgedrückt, «die Vision des Menschen und der Welt.»

Die Einheit des Göttlichen und Menschlichen wollen wir in dieser Ikone betrachten. Mit ihren vielen Gelb- und Goldtönen ist diese Ikone ein leuchtendes Bild, dessen Mitte das Schwarz der Höhle bildet. Hoch oben im Berg dieses scheinbar Schwarze. Müssen wir hinaufsteigen, um das Herabkommen des Göttlichen Lichts zu entdecken? Im schwarzen Zentrum das Neugeborene, eingewickelt und gebettet wie in einen Schrein, als Zeichen der Verbindung von Leben und Tod. Es hebt den Kopf, ist im Kontakt mit der Mutter, und sein Heiligenschein, vom Kreuz gezeichnet, leuchtet warm. Ochs und Esel sind ihm wärmend zugewandt. Vor der Krippe Maria, kniend und sehr aufrecht, den Kopf in ehrfürchtig lauschender Anbetung, die Hände empfangend und schenkend. Der purpurfarbene Mantel ist mit drei Sternen geschmückt, Symbol der Jungfrau vor, während und nach der Geburt.

Erfüllte Stille im Zentrum des Bildes, während der Stern, der aus unfassbarer Höhe – dargestellt im Kreissegment – mit einem Strahl in den irdischen Bereich hinabsteigt, reiche Bewegung auslöst durch den Engel, der den Hirten die Frohe Botschaft verkündet. Gesicht und Hände des älteren Hirten sind in lebhaftem Dialog mit dem Engel; der Jüngere mit einem Blütenkranz auf seinen Haaren spielt selbstvergessen auf der Hornflöte. Er ist sichtlich ergriffen – sogar die Schafe spüren es; sie lauschen andächtig. Während die Hirten die ersten Vertreter der Juden sind, versinnbildlichen die drei Weisen, die sich von der anderen Seite dem Jesuskind nähern, die Ankunft der Heiden. Sie bringen dem König Gold, dem Gottessohn Weihrauch und dem Erlöser Myrrhe. Geburt und Tod stehen in enger Beziehung. Es ist unwesentlich, ob uns der Gesang der Engel oder die Erkenntnis dank der Wissenschaft zu Jesus führt; alle sind eingeladen mitzuwirken, nicht auf Macht und Gewalt zu vertrauen, sondern in Jesus das Leben in Einfachheit und Dienst am Menschen zu wählen, an die Gottesgeburt vor mehr als 2000 Jahren zu glauben und so den Sinn des Weihnachtsgeheimnisses tiefer zu erkennen. Die Botschaft des Engels lebt im Lob Gottes und in unserem Beitrag zum Frieden im Alltag.

Der untere Bereich der Ikone ist als Bild der irdischen Welt durch eine Felsspalte von der Höhle abgetrennt. Zwei Hebammen bereiten das Badewasser für das Neugeborene vor. Es muss die richtige Temperatur haben. Ein alltägliches Geschehen – und doch erschrecke ich: Die Wanne in der Form eines Kelches, ein Hinweis auf das blutige Ende des Erlösers, aber auch auf die Eucharistie. Das wehrlose Kind entdecken, das durch sein Leben und Sterben alles Leid der Welt, auch das gegenwärtige, auf sich genommen und durchgestanden hat bis zum letzten Schrei der Verlassenheit. Sein freiwillig akzeptierter Tod aber ist nicht das Ende. Dieses Leben geht weiter, auch wenn der Mensch stirbt. Durch seine Auferstehung ist der Tod entmachtet, sodass Paulus sagen kann: «Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?» (1 Kor 15,55). Aus dem Glauben an die Auferstehung können wir Kraft schöpfen. Nur Menschen mit gelebtem Glauben, er muss nicht konfessionell gebunden sein, können letztlich Leidenden Trost schenken.

In der unteren linken Ecke sitzt Joseph, den Kopf nachdenklich in die linke Hand gestützt; Unverständnis, Zweifel plagen ihn. Der grübelnde Verstand ist zudem in der Person des mit Fell bekleideten Versuchers dargestellt. Auch der linke Ast des Baumes hinter ihm ist abgesägt, während die den Hebammen zugewandten Äste reich an grünen Blättern sind.

Sind wir nicht allzu sehr wie dieser Joseph, bevor ihm im Traum Erkenntnis geschenkt wird? Wie anders Maria. Auch sie befindet sich im irdischen Bereich, sie ist ganz dem Einbruch des Göttlichen ins Schwarz der Höhle zugewandt. Trotz aller Bedrängnis durch Kälte und Heimatlosigkeit in der Fremde, ist sie im Frieden ihres Herzens.

Ich möchte, dass das Gold dieser Ikone, die alles Menschliche erhellt, auch uns im kommenden Jahr mit Freude und Frieden erfüllt. Es gibt den Stern, der uns zum Göttlichen Kind führen will. Wir dürfen die hellen Zeichen in unserer Welt nicht übersehen. So haben sich anfangs dieses Advents viele führende Vertreter und Delegierte anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften in Iznik, Türkei, zur 1700 Jahrfeier des Konzils von Nicäa getroffen. Im Jahr 325 war die Frage zu klären, wer Jesus Christus sei, denn darüber herrschte Uneinigkeit. Als Ergebnis jenes Konzils wurde das Glaubensbekenntnis formuliert, also das, was schon die Apostel verkündet hatten. Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch, so wie es diese Ikone darstellt. Das kürzlich erfolgte Treffen in Iznik ist ein helles Zeichen, weil dabei zum Ausdruck gebracht wurde, mit dem gemeinsamen Bekenntnis und in gegenseitigem Respekt an konkreten Lösungen der Herausforderungen unserer Zeit zu arbeiten.

Mit einem byzantinischen Gesang des Weihnachtsfestes schliesse ich: «Kommt und seht, ihr Gläubigen, wo geboren ward Christus! Wir wollen also folgen, wohin der Stern uns leitet, mit den Weisen, den Königen des Ostens. Es singen dort die Engel Hymnen ohne Unterlass. Die Hirten wachen auf freiem Felde und spielen ein würdiges Lied: Ehre sei Gott in der Höhe, so preisen sie den in der Höhle heute Geborenen, aus der Jungfrau und Gottesgebärerin, in Bethlehem in Judäa.»

Ihnen allen eine gesegnete und lichterfüllte Weihnachtszeit!


 


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