«Wenns zu heiss wird in der Küche ...»
«Leistung, Leidenschaft und Leadership», so Gastgeber Ständerat Damian Müller, «sind weitaus mehr als Schlagworte». Leistung, so Müller sei das Fundament unseres Wohlstands und werde nicht etwa nur im Topmanagement oder Spitzensport vollbracht, sondern in Backstuben, Schulzimmern, Pflegeeinrichtungen und KMUs. Die Leidenschaft sei das Feuer, mit dem ein neuer Lehrling im Betrieb eingeführt werde und Leadership bedeute nicht Macht, sondern umsichtiges Handeln, genaue Analyse und klare Prinzipien.
Mangelnde Leidenschaft kann man Josef «Joe» Ackermann kaum unterstellen. Mit viel Witz erzählte der Banker im Gespräch mit Moderatorin Nicole Frank, wie er in New York Gesangsunterricht genossen hat und dass er immer noch gerne Klavier spielt. Auch einem Jass und einem «Kafi Zwetschge» sei er nicht abgeneigt. Sein Motto sei «Lernen – Verdienen – Zurückgeben». Wer nur noch Golf spielt, sagt er, werde schnell alt. Er hält die Bildung für eines der wertvollsten Güter und hat als HSG-Alumnus der Universität St. Gallen (HSG) einen Lehrstuhl für Businesseconomics and Public Policy finanziert.
Schillernde Figur
Der mittlerweile 77-Jährige gehört zu den schillerndsten – und auch umstrittensten – Persönlichkeiten der Bankenwelt und soll als Chef der Deutschen Bank AG Staatsoberhäupter wie Angela Merkel und George W. Bush zu seinem Freundeskreis gezählt haben. Auf die hohen Boni von CEOs angesprochen, meinte Ackermann gelassen, dass dies ja keine Steuergelder seien. Tatsächlich hat die Bank die Finanzkrise ohne staatliche Hilfe überstanden. Zwischen 2002 und 2012 baute die Deutsche Bank ihr Investmentbanking aus, das für hohe Erträge, aber auch Risiken bekannt ist. Dafür wurde sie auch kritisiert. Diese Kritik schien Ackermann locker wegzustecken: «Wenns Dir in der Küche zu heiss wird, musst Du ja nicht kochen», sagte er dazu.
Auf die Übernahme des CS durch die UBS angesprochen, kritisierte Ackermann, dass der Bund «aus einer falschen, puristischen Haltung» heraus zwei Perlen, die CS und die Fluggesellschaft Swiss, aus der Hand gegeben habe. Zur Zeit des Swissair-Groundings hatte Josef Ackermann ein Mandat im Aufsichtsrat der Lufthansa: «Da haben die Korken geknallt, als wir die Swiss so günstig kaufen konnten». Einen Wegzug der UBS hält Ackermann für unrealistisch: «In den USA wäre das Haus innert kürzester Zeit eine Übernahmekandidatin,» sagt er dazu. Er räumt ein, dass ein höherer Eigenfinanzierungsgrad die Bank zwar befähigen würde, künftige Krisen besser zu überstehen, «aber ist sie dann noch wettbewerbsfähig?»
Das Recht des Stärkeren
Leider sei es Tatsache, dass in der Weltpolitik gerade das Recht des Stärkeren gelte. Europa sei gescheitert im Versuch, Russland zu integrieren. Putin, den er selbst persönlich getroffen habe, sei ein Machtmensch, der gar keinen Frieden schliessen könne. Er sähe Zwist unter den europäischen Staaten und zwischen Europa und den USA. «Putin will seine Kriegsziele erreichen,» sagt Ackermann und: «Der einzige Weg, ihn zu stoppen, wäre ihm den Geldhahn zuzudrehen,» hält er auch eine Lösung bereit. Über den aktuellen US-Präsidenten meinte Ackermann nur, er sei wie Lebertran: «Gesund, aber gruusig». Er unterschätze Putin, aber vielleicht erreiche er mit seiner erratischen Art am Ende doch etwas.
Erste Frau im Gesundheitswesen
Wer Philomena Colatrella erreichen will, muss früh aufstehen: Um 5:30 trinke sie ihren ersten Espresso, sagt die abtretende Chefin der Christlichsozialen Krankenkasse der Schweiz, kurz CSS. Philomena Colatrella fand ihr Praktikum bei der Versicherungsgesellschaft als eher langweilig. Sie arbeitet seit 1999 für den Krankenversicherer und war engagiert in der Umwandlung der Krankenkasse von einem Verein zu einer Holding. 2012 wurde sie Generalsekretärin und Mitglied der Konzernleitung, 2014 stellvertretende CEO und 2016 Geschäftsführerin und Vorsitzende der Konzernleitung. Sie war die erste Frau im Vorstand des Schweizerischen Versicherungsverbandes und 2017 mit einem Gehalt von über 740 000 Franken die bestbezahlte Person an der Spitze einer Krankenkasse. Ende Jahr tritt sie zurück. «Ich konnte mich entfalten,» sagt Colatrella im Gespräch mit Moderatorin Nicole Frank: «Ich habe meine Karriere nicht geplant, ich habe aber Gelegenheiten ergriffen.»
Auch Philomena Colatrella war in ihrer Karriere viel Kritik ausgesetzt, insbesondere wegen Aussagen über die Höhe von Franchisen in der Krankenversicherung. Ob sie als Frau und Kind italienischer Eltern mehr Leistungsdruck erfahren habe, wollte Nicole Frank wissen. «Ich bin vorsichtig mit Klischees,» erwiderte Colatrella darauf. Dass die Kosten im Gesundheitswesen steigen sei nur folgerichtig, schliesslich würden laufend neue Therapien und Medikamente entwickelt. Ob eine Einheitskasse die Kosten in den Griff bekäme, bezweifelt sie und weist darauf hin, dass die Verwaltungskosten der CSS unter fünf Prozent liegen.
Über ihre Zukunft mochte sie noch nicht konkret sprechen. Sie werde aber sicher mehr Tennis spielen, wieder Klavierunterricht geniessen und sich nach einer Tätigkeit auf strategischer Ebene umschauen.
Auf der Suche nach vier Sekunden
Leistung ist bei Marcel Hug Programm. Der mehrfache Paralympics-Gewinner hat soeben eine erfolgreiche Saison mit dem Sieg am Oita-Marathon in Japan abgeschlossen. Er ist ungeschlagen, hat in allen acht Rennen gesiegt. Wie viele Medaillen er besitzt, weiss er nicht auswendig, trotzdem wirkt er bescheiden, gibt zu, dass er immer noch nervös wird vor dem Start. Rituale habe er keine vor dem Rennen, lediglich eine seriöse Vorbereitung: Kalte Dusche, Frühstück, Atem-übungen. Es gelte zudem aus Fehlern zu lernen und: «Es ärgert mich, wenn ich nicht weiss, warum ein Fehler passiert ist.»
Seine Leidenschaft blitzt auf, als er sich darüber ärgert, den Weltrekord schon zwei Mal um vier Sekunden verpasst zu haben. Auf die Frage, was ihn stört, sagt er «Jetlag» und wenn er einen Tag lang in eine total andere Rolle schlüpfen könnte, möchte er vielleicht einmal Bundesrat sein. Diesen Ball nahm Damian Müller in seinem Schlusswort gerne auf: «Wir brauchen immer gute Kandidaten».
Der Anlass «Luzern diskutiert» soll in einem Jahr, genau am 26. November wieder stattfinden. Danach, so Damian Müller, sei Schluss: «Man soll aufhören, wenns am schönsten ist».
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